1. Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren
Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG am 24.7.2013 war in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten sind. Dies ist in § 17 Nr. 11 RVG jetzt jedoch ausdrücklich dahin klargestellt, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt (Nachweise zum früheren Meinungsstreit bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn 144 ff.). Bedeutung hat(te) diese Frage hinsichtlich des Anfalls der Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG. Diese kann nun nach der Anm. 1 zu Nr. 7002 VV RVG auf jeden Fall sowohl für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als auch für das gerichtliche Verfahren abgerechnet werden.
Nach ggf. erfolgter Zurückverweisung des Verfahrens durch das OLG steht dem Rechtsanwalt für das weitere Verfahren beim AG auch eine weitere Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG zu. Das Verfahren nach Zurückverweisung bildet nämlich nach § 21 Abs. 1 RVG einen neuen Rechtszug, in dem alle Gebühren noch einmal entstehen (LG Dresden AGS 2006, 169).
2. Verwarnungsverfahren
Das sog. Verwarnungsverfahren nach den §§ 56 ff. OWiG gehört zum "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde". Das wird in Vorbem. 5.1.2 Abs. 1 VV RVG ausdrücklich festgestellt. Wird in diesem Verfahren vom Betroffenen die Verwarnung in dem beschränkt zulässigen Umfang angefochten (dazu Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl., § 56 Rn 31 ff.), richtet sich das Verfahren nach §§ 62 ff. OWiG. Der danach zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört noch mit zum "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" und leitet nicht etwa schon das gerichtliche Verfahren nach Unterabschnitt 3 VV RVG ein (Zum Verwarnungsverfahren eingehend Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Teil A: Verwarnungsverfahren, Abrechnung, Rn 2453 ff.; Volpert VRR 2008, 232; Burhoff RVGreport 2016, 362 ff.)
3. Zwischenverfahren
Auch das sich an den Einspruch anschließende Zwischenverfahren gehört nach der ausdrücklichen Regelung in Vorbem. 5.1.2 Abs. 1 VV RVG noch zum "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde". Dieses endet erst mit dem Eingang der Akten bei Gericht (§ 69 Abs. 4 S. 2 OWiG). Das bedeutet, dass alle anwaltlichen Tätigkeiten im Zwischenverfahren durch die nach Unterabschnitt 2 entstehenden Gebühren abgegolten sind/werden. Das gilt also z.B. für einen "Zwischenstreit" über die Rechtzeitigkeit des Einspruchs (§ 69 Abs. 1 OWiG) oder, wenn die Verwaltungsbehörde aufgrund des Einspruchs weitere Ermittlungen anordnet oder selbst vornimmt (§ 69 Abs. 2 Nr. 1 OWiG; vgl. dazu eingehend auch N. Schneider AGkompakt 2018, 86).
4. Antrag auf gerichtliche Entscheidung
Das gilt zudem auch für ein gerichtliches Zwischenverfahren aufgrund eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gegen eine die Einsicht des Verteidigers in Messunterlagen ablehnende Maßnahme der Verwaltungsbehörde (Burhoff VRR 2013, 213; ders., RVGreport 2013, 212; ders., RVGprof. 2018, 88; ders., StRR 2013, 294; LG Wuppertal RVGprof. 2019, 21; a.A. AG Senftenberg AGS 2013, 231 = VRR 2013, 239). Die vom Rechtsanwalt insoweit erbrachten Tätigkeiten sind über § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bei der Bemessung der konkreten Gebühr zu berücksichtigen.
5. Strafverfahren/Bußgeldverfahren
Ausdrücklich geregelt ist in § 17 Nr. 10b RVG, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und das nach dessen Einstellung sich ggf. anschließende Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt auf jeden Fall durch die Einstellung des Strafverfahrens auch die zusätzliche Gebühr nach Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG verdient. Der frühere Streit ist durch die Änderung in dieser Vorschrift – "Strafverfahren" anstelle "Verfahren" – erledigt (vgl. die Nachweise zum früheren Streit bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn 138 ff.).
Der umgekehrte Fall – zunächst OWi-Verfahren und sich dann anschließendes Strafverfahren –, der ebenfalls zur BRAGO streitig war, wird vom RVG nicht geregelt. Er ist aber mit der zur BRAGO insoweit wohl schon h.M. ebenso zu behandeln (s. auch Schneider/Mock, Das neue Gebührenrecht für Anwälte, § 26 Rn 13). Das gilt vor allem auch deshalb, weil in § 17 Nr. 10b RVG für den anderen Fall eine ausdrückliche Regelung vorliegt und kein Grund ersichtlich ist, warum die beiden Fälle unterschiedlich behandelt werden sollten (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 5 VV RVG Rn 47; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 8. Aufl., Teil 5 VV RVG Rn 8; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, VV Einl. 5 Rn 4). Zudem wäre die Anrechnungsregelung hinsichtlich der im OWi-Verfahren entstandenen Grundgebühr in Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4100 VV RVG sonst nicht verständlich.
6. Wiederaufnahmeverfahren
Das OWiG sieht in den § 85 OWiG für Bußgeldverfahren ein Wiederaufnahmeverfahren vor. Die anwaltlichen Gebühren für dieses Wiederaufnahmeverfahren sind in Vorb. 5.1.3 Abs. 2 VV RVG geregelt. Danach gilt der Unterabschnitt 3 des Teil 5 Abschnitt "Verteidiger" auch für das Wiederaufnahmeverfahren. Das RVG hat also in Bußgeldsachen auf eine eigenständige Regelung wie für das Strafverfahren in den Nrn. 4136 ff. VV RVG verzicht...