1. Allgemeines
Die Gebühren für die Tätigkeit in Ordnungswidrigkeiten-Sachen sind der Höhe nach von der Höhe der Geldbuße des Bußgeldverfahrens abhängig. Hintergrund dieser durch das RVG eingeführten Regelung ist die Überlegung des Gesetzgebers, dass insbesondere die anwaltlichen Gebühren bei Bagatellgeldbußen als zu hoch angesehen worden sind (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, 230). Deshalb ist eine Dreiteilung der Gebühren vorgenommen worden. Dazu gilt (vgl. a. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 5.1 VV RVG Rn 11 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, VV Vorb. 5.1 Rn 5 ff). Vorgesehen sind drei Stufen:
- Stufe 1: Geldbuße weniger als 60 EUR,
- Stufe 2: Geldbuße von 60 EUR bis 5.000 EUR,
- Stufe 3: Geldbuße von mehr als 5.000 EUR.
Diese Stufen finden Anwendung sowohl im "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" (Nrn. 5101 ff. VV RVG) als auch im "Gerichtlichen Verfahren im ersten Rechtszug" (Nrn. 5107 ff. VV RVG). Sie gelten für alle dort ggf. anfallenden Verfahrens- und Terminsgebühren.
Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG und die Vergütung im "Verfahren über die Rechtsbeschwerde " (Nr. 5113 VV RVG) sind von der Höhe der Geldbuße unabhängig. Das bedeutet, dass bei der Bemessung dieser Gebühren die Höhe der Geldbuße auch nicht über § 14 Abs. 1 RVG Bedeutung erlangt. Denn der Umstand, dass der Gesetzgeber diese Gebühren eingeführt hat, ohne sie von der Höhe der Geldbuße abhängig zu machen, zeigt, da es andere geldbußenabhängige Gebühren gibt, deutlich, dass bei der Bemessung dieser Gebühren die Höhe der Geldbuße eben keine Rolle spielen soll.
2. Anwendung der Regelung im Einzelnen
Welche Geldbuße für die Bemessung der Gebühren maßgebend ist, regelt Vorbem. 5.1 Abs. 2 VV RVG. Der Grundsatz ist in Satz 1 dieser Vorbem. enthalten. Nach dessen Wortlaut ist Anknüpfungspunkt die zum Zeitpunkt des Entstehens der anwaltlichen Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße. Anknüpfungspunkt ist also nicht etwa die später oder sogar bei Abschluss des Verfahrens letztlich rechtskräftig festgesetzte Geldbuße. Spätere Änderungen hinsichtlich der Gebührenhöhe in einem Verfahrensabschnitt sind daher für die Höhe der anwaltlichen Vergütung ohne Belang. Wird der Rechtsanwalt mit der Verteidigung beauftragt, nachdem ein Bußgeldbescheid erlassen wurde, ist die darin festgesetzte Geldbuße zugrunde zu legen (vgl. BT-Drucks 15/1971, 230).
Vorbem. 5 Abs. 1 S. 2 und 3 VV RVG regeln den Fall, dass eine Geldbuße noch nicht festgesetzt ist. Das ist immer dann der Fall, wenn der Rechtsanwalt mit der Verteidigung des Betroffenen bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt worden ist. Dann richtet sich die Höhe der anwaltlichen Gebühren nach der in der konkreten Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße. Ist die Geldbuße als Mindest- und Höchstbetrag angedroht, ist der mittlere Betrag maßgebend. Sind in einer Rechtsvorschrift Regelsätze bestimmt, sind diese maßgebend. Das gilt also z.B. in den Fällen der Geldbuße nach der straßenverkehrsrechtlichen BKatV (wegen der Einzelheiten Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 5. 1 VV RVG Rn 20 ff.).
Mehrere Geldbußen werden nach Vorbem. 5.1 Abs. 2 S. 4 VV RVG zusammengerechnet.
Beispiel:
Dem Betroffenen wird eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Er soll die Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 21 km/h überschritten haben. Es wird gegen ihn nach der lfd. Nr. 11.3.4 der Tabelle 1 zur BKatV eine Geldbuße i.H.v. 80 EUR festgesetzt. Der Betroffene legt Einspruch ein. Die Akten werden dem AG vorgelegt. Dort wird Hauptverhandlung anberaumt. Der Betroffene beauftragt nun Rechtsanwalt R mit seiner Verteidigung. In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass das Messgerät, mit dem die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit gemessen worden ist, zum Vorfallszeitpunkt nicht mehr gültig geeicht war. Der Amtsrichter nimmt daher einen höheren Sicherheitsabschlag vor. Es ergibt sich für den Betroffenen nun nur noch eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 20 km/h. Demgemäß verhängt das AG nach der lfd. Nr. 11.3.3 der Tabelle 1 zur BKatV nur eine Geldbuße von 35 EUR. Der Betroffene lässt das amtsgerichtliche Urteil rechtskräftig werden (weitere Beispiele bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 5.1 VV RVG Rn 34 ff.; Burhoff RVGreport 2004, 380).
Lösung:
Die Gebühren von Rechtsanwalt R, der erst nach Eingang der Akten, also nur im gerichtlichen Verfahren tätig geworden ist (vgl. Vorbem. 5.1.2 VV RVG), richten sich nach folgender Stufe:
Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG ist unabhängig von der Höhe der Geldbuße.
Maßgebend für die Höhe der Verfahrens- und Terminsgebühr im gerichtlichen Verfahren ist die Stufe 2 (von 60 EUR bis 5.000 EUR), obwohl letztlich nur eine Geldbuße von 35 EUR verhängt worden ist. Das hat jedoch auf die maßgebliche Stufe keinen Einfluss. Es kommt auf die "zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße" und nicht auf die rechtskräftig festgesetzte Geldbuße an. Zum Zeitpunkt des Entstehens der gerichtlichen Verfahrensgebühr und der gerichtlichen Terminsgebühr, die mit Aufruf der Sache entsteht (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 5...