I. Allgemeines
In der täglichen Praxis spielt die Verteidigung im Bußgeldverfahren eine nicht unerhebliche Rolle. Dabei stehen die straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren sicherlich im Vordergrund. Diese machen häufig relativ viel Arbeit und sind nicht selten auch schwierig. Andererseits sind gerade die (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren vom Gesetzgeber bei Erlass des RVG in Teil 5 VV RVG durch die Anknüpfung der Höhe der anwaltlichen Gebühren an die Höhe der Geldbuße gebührenrechtlich benachteiligt worden.
Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass der Rechtsanwalt sich gerade über die Vergütung im Bußgeldverfahren informiert, um hier nicht noch mehr gebührenrechtliche Nachteile zu erleiden. Die nachfolgenden Ausführungen wollen dazu einen ersten Überblick geben. Dargestellt werden die wichtigsten mit der anwaltlichen Vergütung im OWi-Verfahren zusammenhängenden Fragen nach Teil 5 VV RVG. Dabei beschränkt sich dieser Beitrag auf allgemeine Fragen. Ein zweiter Teil wird sich mit den besonderen Fragen der Abrechnung von Bußgeldverfahren beschäftigen.
II. Geltungsbereich von Teil 5 VV RVG
1. Persönlich
Teil 5 VV RVG regelt die Vergütung des Rechtsanwalts sowohl als (Wahl-)Verteidiger sowie als Vertreter eines Einziehungs- und Nebenbeteiligten bzw. als Pflichtverteidiger des Betroffenen als auch als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen in einem Verfahren, in dem sich die Gebühren nach Teil 5 VV RVG bestimmen.
Im Einzelnen:
Mit "Verteidiger" meint das RVG den Vollverteidiger, also denjenigen Rechtsanwalt, dem die Verteidigung als Ganzes übertragen ist. Er erhält seine Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG. Sind dem Rechtsanwalt nur Einzeltätigkeiten übertragen, wird seine Tätigkeit nach Teil 5 Abschnitt 2 VV RVG vergütet, also nach der Nr. 5200 VV RVG (vgl. dazu die Kommentierung zu Nr. 5200 VV RVG bei Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Nr. 5200 VV Rn 1 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff/Volpert/Bearbeiter, RVG] und Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, VV Nr. 5200 Rn 1 ff. [im Folgenden kurz: Gerold/Schmidt/Bearbeiter]) Hat der Betroffene im Bußgeldverfahren einen Pflichtverteidiger (vgl. § 60 OWiG), was in der Praxis nicht häufig der Fall sein dürfte, erhält dieser seine Vergütung ebenfalls nach Teil 5 VV RVG (zum Pflichtverteidiger in straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren s. Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. 2018, Rn 1225 ff.). Auch ist in Teil 5 VV RVG, in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG ausdrücklich geregelt, dass der Rechtsanwalt auch als Beistand eines Zeugen oder Sachverständigen die Gebühren wie ein Verteidiger erhält, und zwar entweder die des Vollverteidigers oder die des Pflichtverteidigers, wenn er beigeordnet worden ist (vgl. § 46 OWiG; § 68b StPO). Im Bußgeldverfahren kann sich allerdings nicht die für das Strafverfahren nach Teil 4 VV RVG strittige Frage stellen, ob der Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abrechnet (s. zu der Problematik für das Strafverfahren Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A: Zeugenbeistand, Abrechnung der Tätigkeiten, Rn 2557; Burhoff RVGreport 2016, 122). Die Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG ist nämlich anders formuliert als die Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 5 VV RVG Rn 6).
2. Sachlich
Im RVG ist der Begriff der "Bußgeldsache" nicht ausdrücklich definiert. Gemeint sind damit alle Verfahren, die sich verfahrensmäßig nach dem OWiG richten. Die Abgrenzung zum Strafverfahren (vgl. zum Begriff insoweit Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, a.a.O., Vorbem. 4 VV RVG Rn 7) richtet sich danach, in welcher Richtung ermittelt wird. Liegt also materiell-rechtlich eine Straftat vor, wird diese jedoch nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt, richtet sich die anwaltliche Vergütung nach Teil 5 VV RVG. Ermitteln die Ermittlungsbehörden hingegen wegen einer Straftat, obwohl tatsächlich nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, ist für die anwaltliche Vergütung Teil 4 VV RVG maßgebend. Steht nicht fest, ob wegen einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat ermittelt wird, wird im Zweifel auch wegen einer Straftat ermittelt, so dass (zunächst) Teil 4 VV RVG anzuwenden ist (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 5 VV RVG Rn 4).
III. Begriff der Angelegenheiten
1. Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren
Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG am 24.7.2013 war in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten sind. Dies ist in § 17 Nr. 11 RVG jetzt jedoch ausdrücklich dahin klargestellt, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt (Nachweise zum früheren Meinungsstreit bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn 144 ff.). Bedeutung hat(te) diese Frage hinsichtlich des Anfalls der Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG. Diese kann nun nach der Anm. 1 zu Nr. 7002 VV RVG auf jeden Fall sowohl für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als auch für das gerichtliche Verfahren abgerechnet werden.
Nach ggf. erfolgter Zurückverweisung des...