1. Leistungsfähigkeit verheirateter Kinder
Der BGH (FamRZ 2019, 885 = NJW 2019, 1439) hat die von ihm entwickelten Grundsätze zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit von verheirateten Kindern für den Elternunterhalt, wenn der seinen Eltern Unterhaltspflichtige über höhere Einkommen verfügt als sein Ehegatte (vgl. BGH FamRZ 2010, 1535; 2014, 538), bestätigt und betont, dass diese Grundsätze auch dann gelten, wenn beide Ehegatten ihren jeweiligen Eltern zum Unterhalt verpflichtet sind.
Die Leistungsfähigkeit ist i.d.R. wie folgt zu ermitteln:
- Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt (3.240 EUR) in Abzug gebracht.
- Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis (10 % der Differenz) vermindert.
- Die Hälfte des sich ergebenden Betrags kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute.
- Von dem so bemessenen individuellen Familienbedarf steht dem Unterhaltspflichtigen ein prozentualer Anteil entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten (einschließlich eines eventuellen Wohnvorteils) zu.
Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am individuellen Familienbedarf einsetzen.
2. Einsetzbares Vermögen des Pflichtigen/Rückforderungsanspruch einer verschenkten Immobilie
In zwei Entscheidungen hat sich der BGH (FamRZ 2019, 698 = NJW 2019, 1074 = FuR 2019, 341 bearb. v. Soyka = FamRB 2019, 212 m. Hinw. Thormeyer und FamRZ 2019, 701 m. Anm. Seiler = FamRB 2019, 176 m. Hinw. Hauß) mit der Frage befasst, inwieweit sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen durch den Rückforderungsanspruch eines Geschenkes erhöht. Ein Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB gehört zum einsetzbaren Vermögen. Dies folgert der BGH aus § 1603 Abs. 1 BGB. Der Rückforderungsanspruch setzt voraus, dass der Schenker nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und eine ihm gesetzlich obliegende Unterhaltsplicht zu erfüllen. Er kann auch dann gegeben sein, wenn allein die Fähigkeit zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung vermindert ist.
In der erstgenannten Entscheidung hat der BGH eine Minderung der Leistungsfähig verneint, die dadurch entstanden sein sollte, dass der Unterhaltspflichtige seine Eigentumswohnung schenkweise auf die Tochter übertragen und sich ein Nutzungsrecht vorbehalten hatte.
Die infolge der Schenkung veränderte Vermögenslage hatte zu keiner Beeinträchtig der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit geführt, da keine Obliegenheit zur Vermögensverwertung bestand.
Die weitere Entscheidung betraf einen Fall, in dem die Eltern ihrem Kind eine Eigentumswohnung schenkten, obwohl sie hierdurch ihre Unterhaltsbedürftigkeit erhöhten, und dann Sozialhilfe in Anspruch nahmen. Der Sozialhilfeträger leitete den Anspruch der Schenker auf Rückgabe des Geschenkten wegen Verarmung über und verlangte vom Kind Erstattung der geleisteten Sozialhilfe bis zur Höhe des Wertes der Eigentumswohnung. Der BGH stellte klar, dass zwar auch in einem solchen Fall der Beschenkte bei einer Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts grundsätzlich die Rückgabe des Geschenks gem. § 529 Abs. 2 BGB verweigern kann. Dem Beschenkten ist jedoch die Notbedarfseinrede nach Treu und Glauben verwehrt, wenn wie hier
- der Schenker dem Beschenkten einen Vermögensgegenstand zuwendet, den er zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs benötigt,
- dieser Unterhaltsbedarf deshalb vom Sozialhilfeträger befriedigt werden muss und
- der Beschenkte annehmen muss, den zugewendeten Gegenstand mit der Schenkung einer Verwertung zur Deckung des Unterhaltsbedarfs des Schenkers zu entziehen.