Bei fehlender Identität der Marken und der Waren oder Dienstleistungen kann nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ein Schutzhindernis vorliegen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit der prioritätsjüngeren Marke mit einer angemeldeten oder eingetragenen älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der von beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.
Eine Verwechslungsgefahr kann danach bei folgenden Konstellationen in Betracht kommen:
- Identität der prioritätsälteren und der prioritätsjüngeren Marke und Ähnlichkeit der durch die Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen;
- Ähnlichkeit der Marken und Identität der erfassten Waren oder Dienstleistungen;
- Ähnlichkeit der Marken und Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen.
aa) Allgemeine Beurteilungskriterien
Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BGH von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. etwa EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rn 46; BGH GRUR 2018, 79 Rn 9 – OXFORD/Oxford Club). Fehlt eines der beiden Tatbestandsmerkmale der Marken- oder der Warenähnlichkeit gänzlich, so scheidet eine Verwechslungsgefahr aus (BGH GRUR 2014, 488 Rn 9 – DESPERADOS/DESPERADO).
Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Rahmen einer Gesamtabwägung ist es deshalb notwendig, den jeweiligen Grad der Ähnlichkeit der Marken (vgl. etwa BGH GRUR 2015, 1049 Rn 49 – IPS/ISP) oder der Waren oder Dienstleistungen (vgl. etwa BGH GRUR 2003, 1047, 1049 – Kellog‘s/Kelly’s) näher zu bestimmen.
Im Rahmen der Wechselwirkung ist zudem der ungeschriebene Faktor der Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu berücksichtigen, weil eine Steigerung der Kennzeichnungskraft einen erweiterten Schutzumfang begründet (vgl. etwa BGH GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder). Auch deren Grad ist deshalb näher zu bestimmen, und zwar bezogen auf die konkreten Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist. Eine Marke kann deshalb für einzelne Waren oder Dienstleistungen über eine normale Kennzeichnungskraft verfügen, für andere etwa aufgrund intensiver Benutzung gerade (nur) für diese aber über eine erhöhte Kennzeichnungskraft oder aber auch für einzelne Waren oder Dienstleistungen kennzeichnungsschwach sein, etwa weil sie insoweit an eine beschreibende Angabe angelehnt ist (BPatG BeckRS 2019, 8774). Die Verwechslungsgefahr ist umso größer, je stärker sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt. Für die Bestimmung des Grades ist dabei maßgeblich, inwieweit sich die Marke dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart und ihres ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Produkt- und Leistungskennzeichnung einzuprägen vermag, so dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird (vgl. etwa BPatG BeckRS 2019, 12452 Rn 18).
Die Verwechslungsgefahr muss „für das Publikum” (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) bestehen, so dass es auf die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise ankommt. Maßgeblich ist dabei die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Verkehrskreises. Zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise ist auf diejenigen Abnehmer abzustellen, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nachfragen (BGH GRUR 2015, 587 Rn 21 f. – Pinar).
bb) Ähnlichkeit von Marken
Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-) Bild oder in der Bedeutung (Sinngehalt) zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit reicht i.d.R. bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche aus.
Dabei ist auf den jeweiligen Gesamteindruck abzustellen, den die einander gegenüberstehenden Zeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorrufen, und der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die jeweiligen Bezeichnungen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht und die übereinstimmenden Merkmale in einem undeutlichen Erinnerungseindruck häufig stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl. etwa BGH GRUR 2015, 1004 Rn 22 f. – IPS/ISP). Stehen Marken zum Vergleich, die neben Wort- auch Bildelemente enthalten, ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass sich das Publikum eher an dem (kennzeichnungskräftigen) Wortbestandteil orientiert, weil der Wortbestandteil bei einer solchen Marke die einfachste Möglichkeit der Benennung bietet (vgl. etwa BPatG B...