Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG besteht ein Schutzhindernis auch ohne Verwechslungsgefahr, wenn es sich bei der älteren Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung einer prioritätsjüngeren identischen oder ähnlichen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Dieser Sonderschutz der bekannten Marke gilt nach der Neufassung im Rahmen des MaMoG – der bisherigen Rechtsprechung entsprechend – auch bei einer Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit.
Eine Marke ist bekannt, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind. Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen. Maßgeblich sind dabei insbesondere der Marktanteil der älteren Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (BGH GRUR 2015, 1114 Rn 10 – Springender Pudel; GRUR 2017, 75 Rn 37 – Wunderbaum II).
Die Ähnlichkeit der kollidierenden Zeichen muss beim Schutz bekannter Marken nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH aber keinen Grad erreichen, der eine Verwechslungsgefahr begründet. Es genügt vielmehr ein bestimmter Grad der Ähnlichkeit zwischen den Kollisionszeichen, der bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen den beiden Kennzeichen sehen, d.h. die beiden gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln (EuGH GRUR Int 2011 Rn 53 – TiMi KINDERJOGHURT/KINDER; BGH GRUR 2015, 1114 Rn 29 – Springender Pudel).
Zum Schutz einer bekannten Marke enthält § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG vier Tatbestände, die sich im Einzelfall auch überschneiden können:
Ausnutzung der Unterscheidungskraft
Davon ist auszugehen, wenn ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben (vgl. etwa BGH a.a.O. Rn 38 f. – Springender Pudel).
Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft
Eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft i. S.e. sog. Verwässerung kann vorliegen, wenn die Eignung der Marke, die Waren zu identifizieren, geschwächt wird, weil die Benutzung des ähnlichen Zeichens durch Dritte zur Auflösung der Identität der Marke und ihrer Bekanntheit führt, insbesondere wenn die Marke, die eine unmittelbare gedankliche Verbindung mit den von ihr erfassten Waren hervorrief, dies nicht mehr zu bewirken vermag (vgl. etwa EuGH GRUR 2009, 756 Rn 39 – L'Oreal/Bellure; OLG Köln GRUR-RR 2012, 341, 345).
Ausnutzung der Wertschätzung
Eine sog. Rufausbeutung erfordert, dass ein Wettbewerber sich mit der Kennzeichnung seiner Waren der bekannten Marke angenähert hat, um etwa den guten Ruf der bekannten Marke im Wege eines Imagetransfers auf die eigenen Produkte umzuleiten (vgl. etwa BPatG GRUR-RR 2016, 331 Rn 39; BGH GRUR 2005, 583, 584 f. – Lila-Postkarte: auch zur Kunstfreiheit bei Parodie-Artikeln; OLG Frankfurt GRUR 2000, 1063 – Spee-Fuchs: Imagetransfer verneint wegen großer Branchenferne zwischen Bausparkasse und Waschmittel).
Beeinträchtigung der Wertschätzung
Dagegen wird durch eine Beeinträchtigung der Wertschätzung der bekannten Marke deren Anziehungskraft geschmälert (vgl. etwa EuGH GRUR 2011, Rn 73 – Interflora/M&S), etwa durch Erzeugung negativer Assoziationen (vgl. etwa BGH GRUR 1999, 161, 164 – MAC DOG; LG Köln GRUR-RR 2013, 106, 107 – Scheiß RTL).
Die Beeinträchtigung der Wertschätzung und die Ausnutzung der Unterscheidungskraft sind regelmäßig auch unlauter (BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila Postkarte; GRUR 2014, 378 Rn 43 – OTTO CAP; zu möglichen Rechtfertigungsgründen: Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 14 Rn 412 f.).
Hinweis
Die Kollisionstatbestände in § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG stimmen mit den Verletzungstatbeständen in § 14 Abs. 2 Nr. 1–3 (s. unten VI.1.) weitgehend überein.