1. Auswirkungen der PKH-Bewilligung
Die Bewilligung der PKH hat für die bedürftige Partei folgende Auswirkungen:
- Die Staatskasse kann die rückständigen und die entstehenden Gerichts- und Gerichtsvollzieherkosten gegen sie nicht geltend machen.
- Sie kann die auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die bedürftige Partei nur nach den Bestimmungen, die das Prozessgericht getroffen hat, gegen die Partei geltend machen.
- Die bedürftige Partei ist von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten (s. §§ 110’ff. ZPO) befreit.
- Die beigeordneten Rechtsanwälte können Ansprüche auf Vergütung gegen die bedürftige Partei nicht geltend machen (§ 122 Abs. 1 ZPO).
- Mit der Beiordnung des Rechtsanwalts der bedürftigen Partei erwirbt dieser gem. § 45 Abs. 1 RVG einen Anspruch gegen die Staatskasse auf die gesetzliche Vergütung.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass die bedürftige Partei von den Kosten des Rechtsstreits, für den ihr PKH unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt worden ist, jedenfalls zunächst keinerlei Kosten zu tragen hat. Die Bewilligung der PKH hat jedoch keinen Einfluss auf die Verpflichtung der bedürftigen Partei, aufgrund der in dem Rechtsstreit ergangenen Kostenentscheidung oder Kostenregelung der obsiegenden Gegenpartei deren Kosten zu erstatten (§ 123 ZPO).
2. Auslagen für Terminsreise
In den Vorschriften über die Bewilligung von PKH ist jedoch nicht geregelt, ob und unter welchen Voraussetzungen die bedürftige Partei einen Anspruch gegen die Staatskasse auf Zahlung eigener Auslagen, insb. von Auslagen für eine Terminsreise, hat. Obwohl sich in der Praxis für die bedürftige Partei nicht selten die Frage stellt, mit welchen Mitteln sie die Auslagen für eine Terminsreise bestreiten kann, ist vielfach weder den Gerichten noch den beteiligten Rechtsanwälten bekannt, dass der bedürftigen Partei ein Anspruch auf Reiseentschädigung gegen die Staatskasse zustehen kann.
3. Gesetzliche Grundlage
Reiseentschädigungen an mittellose Personen werden nach der bundeseinheitlichen Fassung der von’sämtlichen Landesjustizverwaltungen erlassenen „Allgemeinen Verfügung über die Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen für Reiseentschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, ehrenamtliche Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte” vom 2.6.2006, zuletzt geändert am 20.1.2014, „VwV-Reiseentschädigung” genannt, gewährt. Die VwV-Reiseentschädigung ist etwa veröffentlicht im Amtsblatt für Berlin v. 16.6.2006, S. 2063 und im Bundesanzeiger AT 29.1.2014 B1 (s. ferner den Abdruck des Textes bei Hartmann/Toussaint/Weber, Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, Anhang nach § 25 JVEG, S. 1270). Allerdings handelt es sich um Landesrecht, sodass fraglich ist, ob die Regelungen auch für Bundesgerichte gelten, was der BGH in einer jüngeren Entscheidung (RVGreport 2020, 159) nicht problematisiert hat. Der BGH hat ohne Hinweis auf die VwV-Reiseentschädigung die §§ 114 ff. ZPO entsprechend herangezogen, das BVerwG (RVGreport 2017, 235 [Hansens] = JurBüro 2017, 259) hat ebenfalls die VwV-Reiseentschädigung nicht genannt und für seine Entscheidung § 166 VwGO i.V.m. § 122 Abs. 1 ZPO entsprechend angewandt.
4. Die Gewährung von Reiseentschädigungen
Nach 1. VwV-Reiseentschädigung können mittellosen Parteien oder anderen Beteiligten auf Antrag Mittel für die Reise zum Ort einer Verhandlung, Vernehmung oder Untersuchung und für die Rückreise gewährt werden. Hierauf soll in der Ladung oder in anderer geeigneter Weise hingewiesen werden, was in der Praxis nicht selten unterlassen wird. Als mittellos sind Personen anzusehen, die nicht in der Lage sind, die Kosten der Reise aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Die Vorschriften über die Bewilligung von PKH und VKH bleiben unberührt.
Hinweis:
Hieraus folgt, dass auch diejenigen mittelosen Personen Anspruch auf Reiseentschädigung aus der Staatskasse haben, die nicht PKH/VKH beantragt haben oder deren entsprechender Antrag zurückgewiesen worden ist (s. auch die Entscheidung des BGH BGHZ 64, 139 = NJW 1975, 1124). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn einem bedürftigen Kläger PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten (§ 114’Abs. 1 ZPO) versagt worden ist, das Prozessgericht aber gleichwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet hat. Auch in diesem Fall kann folglich dem bedürftigen Kläger auf seinen Antrag hin die Reiseentschädigung aus der Staatskasse gezahlt werden.
a) Persönliches Erscheinen der Partei angeordnet
Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit einer bedürftigen Partei eine Reiseentschädigung bewilligt werden kann, bestimmt die VwV-Reiseentschädigung nicht. Nach Auffassung des BGH (RVGreport 2020, 159 [Hansens]) und des BVerwG (a.a.O.) muss die Teilnahme an dem Termin notwendig sein. Knüpft der Anspruch auf Reiseentschädigung nach h.A. an die bewilligte PKH/VKH an, sind auch die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO einschließlich der Nachzahlungspflicht (§ 125 ZPO) und des Beschwerderechts (§ 127 ZPO) anzuwenden. Danach ist die zu prüfende Notwendigkeit der Reise immer dann anzunehmen, wenn die Parte...