Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Dies umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. Art. 3 EMRK droht.
Eine Verletzung des Art. 3 EMRK kommt in besonderen Ausnahmefällen auch bei "nichtstaatlichen" Gefahren aufgrund prekärer Lebensbedingungen in Betracht, bei denen ein "verfolgungsmächtiger Akteur" (§ 3c AsylG) fehlt, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung (BVerwGE 146, 12 Rn 25; s.a. BVerwGE 147, 8 Rn 25). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür jedenfalls ein "Mindestmaß an Schwere" (minimum level of severity) aufweisen (vgl. EGMR, Urt. v. 13.12.2016 – Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien, Rn 174; EuGH, Urt. v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU [ECLI:EU:C:2017:127], C.K. u.a., Rn 68); es kann erreicht sein, wenn er seinen existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält (s.a. BVerwG NVwZ 2019, 61 Rn 11). In’seiner jüngeren Rechtsprechung stellt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Urteile v.’19.3.2019 – C-297/17 u.a. [ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim, Rn 89 ff. und C-163/17 [ECLI:EU:C:2019:218], Jawo, Rn 90 ff.) darauf ab, ob sich die betroffene Person "unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not" befindet, "die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insb., sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre".
Hinweis:
Bei dem nationalen Abschiebungsschutz sind (nur) dem einzelnen Ausländer drohende Gefahren erheblich, nicht Gefahren, die Dritten drohen (BVerwG Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 78 S. 129 f.; VGH’München, Urt. v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632, juris Rn 17). Nationaler Abschiebungsschutz ist für jeden Ausländer einzeln und gesondert zu prüfen; eine Gewährung von "Familienabschiebungsschutz" kennt das nationale Recht nicht. Die Regelungen zum Familienasyl (§ 26 AsylG) sind auf den Abschiebungsschutz nach nationalem Recht weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.
Das BVerwG geht unter Änderung seiner Rechtsprechung in seinem Urt. v. 4.7.2019 (1 C 45.18, Asylmagazin 2019, 311 f. = InfAuslR 2019, 455 ff.) davon aus, dass für die Gefahrenprognose von einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der – wenngleich notwendig hypothetischen – Rückkehrsituation und damit bei tatsächlicher Lebensgemeinschaft der Kernfamilie im Regelfall davon auszugehen sei, dass diese entweder insgesamt nicht oder nur gemeinsam im Familienverband zurückkehre. Dies gelte auch dann, wenn einzelnen Mitgliedern der Kernfamilie bereits ein Schutzstatus zuerkannt oder für sie nationaler Abschiebungsschutz festgestellt worden sei.
Hinweis:
Von einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband ist für die Rückkehrprognose im Regelfall auch dann auszugehen, wenn einzelnen Familienmitgliedern bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für sie ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden ist (Aufgabe der Rechtsprechung BVerwGE 109, 305, 308).