Ist ein Motorradfahrer etwa ein praktizierender Sikh und trägt er aus religiösen Gründen einen Turban, kann das Bedürfnis für eine Ausnahmegenehmigung zur Befreiung von der Pflicht, beim Motorradfahren einen Schutzhelm zu tragen, bestehen. Rechtsgrundlage für ein solches Begehren ist § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO. Danach kann die Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von den in § 21a StVO enthaltenen Vorschriften über das Anlegen von Sicherheitsgurten und das Tragen von Schutzhelmen genehmigen. Nach § 21a Abs. 2 S. 1 StVO muss während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen, wer Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kfz mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf oder in ihnen mitfährt.
Hinweis:
Durch die den Straßenverkehrsbehörden eingeräumte Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung soll besonderen Ausnahmesituationen Rechnung getragen werden, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten und eine unbillige Härte’für den Betroffenen zur Folge hätten (vgl. BVerfGE 40, 371, 377; zur Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 StVO auch BVerwG Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 10 = juris Rn 26 und BVerwGE 104, 154, 157).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Ausnahmesituation vorliegt, die eine Ermessensentscheidung der Straßenverkehrsbehörde eröffnet, wenn der Betroffene aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert ist, einen Motorradhelm zu tragen (vgl. BVerfGE 59, 275, 278).
Nach dem Urteil des BVerwG vom 4.7.2019 (3 C 24.17, zfs 2019, 593 ff. = NJW 2019, 3466 f.) liegt eine das’Ermessen eröffnende Ausnahmesituation auch vor, wenn die Hinderung, einen Motorradhelm zu tragen, auf religiösen Gründen beruht (vgl. hierzu bereits Kreutel, DAR 1986, 38, 41). Durch die in § 21a Abs. 2 S. 1 StVO angeordnete Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, werde zwar niemand an der Praktizierung seines Glaubens gehindert. Bei Befolgung der von ihm als verbindlich empfundenen Bekleidungsvorschriften müsse der Betroffene aber auf das Motorradfahren verzichten. Die Regelung könne ihn daher mittelbar in seiner Religionsausübung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 108, 282, 297 sowie BVerfGE 138, 296 Rn 83 zum Tragen von Kopftüchern durch Muslima). Das Vorliegen eines Hinderungsgrunds für das Tragen eines Motorradhelms ziehe aber keinen unmittelbaren Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach sich; die Entscheidung hierüber stehe gem. § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO vielmehr im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde. Wer keinen Schutzhelm tragen könne, solle grds. auch nicht Motorradfahren. Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht könne allenfalls dann bestehen, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen individuellen Gründen nicht zugemutet werden könne. Liege zwar die Unmöglichkeit des Helmtragens vor, sei der Betroffene aber auf die Nutzung eines Motorrads nicht angewiesen, überwiege sein individuelles Interesse am Motorradfahren das öffentliche Interesse an der Einhaltung der in § 21a Abs. 2 S. 1 StVO angeordneten Schutzhelmpflicht nicht zwingend.