Im Bereich der Mietkaution kommt der sog. Bürgschaft auf erstes Anfordern eine besondere Bedeutung zu. Eine solche Bürgschaft bezweckt, dem Gläubiger sofort liquide Mittel zu verschaffen, wenn er den Bürgschaftsfall für eingetreten hält. Um diesen Zweck zu erreichen, ist der Bürge auf erstes Anfordern verpflichtet, sofort und unter einstweiligem Verzicht auf Einwendungen und Einreden (vgl. §§ 770, 771 BGB) an den Gläubiger zu bezahlen und zwar auch ohne schlüssige Darlegung der Verbindlichkeit (BGH, Urt. v. 28.10.1993 – IX ZR 141/93, MDR 1994, 721; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 551 BGB Rn 15 u. 18a). Gegenrechte kann dieser Bürge regelmäßig erst nach Zahlung im Rahmen seines Rückforderungsverhältnisses gegen den Schuldner (Mieter) geltend machen (Musielak, Bürgschaft, JA 2015, 161). Der Vermieter muss also nur erklären, dass der Anspruch besteht. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Forderung offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist, sofern es offenkundig oder mit liquiden Mitteln beweisbar ist, dass der Sicherungsfall nicht vorliegt, weil die Forderungen nicht bestehen (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 551 BGB Rn 16 u. 18a m.w.N. aus der Rechtsprechung; Fischer, NZM 2003, 497, 498). Der Bürge muss den Mieter benachrichtigen, damit dieser begründete Einwendungen zur Abwehr des Bürgschaftsanspruchs vorbringen kann. Sind solche nicht ersichtlich, kann der Bürge auch dann leisten, wenn der Hauptschuldner entgegenstehende Anweisungen gibt (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 551 BGB Rn 16 u. 18a m.w.N. aus der Rechtsprechung).
a) Zulässigkeit einer Bürgschaft auf erstes Anfordern
Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern kann formularvertraglich grds. nur von Kreditinstituten, Sparkassen, Versicherungen und von solchen Personen abgegeben werden, die mit den besonderen Risiken dieser Art von Bürgschaft vertraut sind (LG Hamburg, Urt. v. 12.4.2001 – 307 S 8/01, WuM 2003, 36; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2016 – 3 U 73/12, DWW 2016, 296; Palandt/Sprau, 80. Aufl. 2021, Einf. v. § 765 BGB Rn 14; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 551 BGB Rn 17; Staudinger/Emmerich, Neubearbeitung 2021, § 551 BGB Rn 7; a.A. KG Berlin, Urt. v. 4.12.2003 – 8 U 121/03, DWW 2004, 85; OLG Karlsruhe, Urt. v. 2.7.2004 – 1 U 12/04, NZM 2004, 742). Individualvertraglich kann aufgrund der Vertragsfreiheit jedermann eine Bürgschaft auf erstes Anfordern übernehmen (BGH, Urt. v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280).
Praxishinweis:
Bürgschaften auf erstes Anfordern werden bei der Geschäftsraummiete v.a. dann verlangt, wenn die Mietpartei eine juristische Person (z.B. GmbH) ist und gewünscht ist, dass die Gesellschafter persönlich haften. Bei der Wohnraummiete machen Vermieter häufig bei Schülern oder Studenten den Vertragsschluss davon abhängig, dass die Eltern eine solche Bürgschaft übernehmen, wobei die Beschränkungen von § 551 Abs. 1 BGB in jedem Fall zu beachten ist.
b) Abgrenzung zur selbstschuldnerischen Bürgschaft
Terminologisch wird in Literatur und Rechtsprechung nicht immer sauber zwischen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern und einer sog. selbstschuldnerischen Bürgschaft unterschieden, was misslich ist. Nach hier vertretener Auffassung unterscheidet sich die sog. selbstschuldnerische Bürgschaft von der Bürgschaft auf erstes Anfordern dadurch, dass nur die Einrede der Vorausklage nach §§ 771, 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB abbedungen wird, dem Bürgen hingegen die Einwendungen und Einreden des Hauptschuldners nach §§ 768, 770 BGB verbleiben (in diesem Sinne wohl auch Staudinger/Emmerich, Neubearbeitung 2021, § 551 BGB Rn 7).