In der Rechtsprechung wurden in den letzten 30 Jahren viele weitere Anforderungen an eine wirksame Bürgschaftsübernahme aufgestellt, welche nachfolgend skizziert werden:
a) Sittenwidrigkeit der Bürgschaft
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass die Übernahme einer Bürgschaft oder Mithaftung für die Verbindlichkeiten eines Dritten nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig sein kann, wenn zwischen der übernommenen Zahlungsverpflichtung und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Mithaftenden/Bürgen ein grobes Missverhältnis vorliegt und weitere dem Gläubiger zurechenbare Umstände vorliegen, aufgrund derer die Mithaftung sittenwidrig erscheint. Solche Umstände können in der Ausnützung einer geschäftlichen Unerfahrenheit oder einer seelischen Zwangslage liegen. Bei Mietverhältnissen werden diese Umstände in aller Regel nicht vorliegen (OLG Hamburg, Urt. v. 31.1.2001 – 4 U 197/00, ZMR 2001, 887).
b) Begrenzung des Umfangs der Bürgschaft
Eine Bürgschaft muss ihren Umfang hinreichend bestimmt benennen, anderenfalls ist sie unwirksam. Die Übernahme einer Bürgschaft für alle nur denkbaren Verpflichtungen des Schuldners gleich aus welchem Rechtsgrund ist unwirksam (BGH, Urt. v. 10.10.1957 – VII ZR 419/56, WM 1957, 1430). Für den Bereich der Miete ausreichend ist es aber, wenn eine Bürgschaft für alle Ansprüche aus dem Mietvertrag übernommen wird, wobei dann der Bürge auch für die Prozesskosten eines etwaigen Räumungsrechtsstreits einschließlich der Kosten der Zwangsvollstreckung haftet (LG Hamburg, Urt. v. 22.6.2000 – 334 O 107/99, ZMR 2000, 764).
c) Zeitlicher Wirkungsbereich der Bürgschaft
Die Bürgschaft erstreckt sich grds. nicht auf solche Verpflichtungen, die sich aus einem zeitlich nach der Bürgschaft geschlossenen Vertrag ergeben (OLG Frankfurt, Urt. v. 12.4.2006 – 2 U 34/05, NZM 2006, 900), etwas anderes gilt nur, wenn der Bürge bei Erteilung mit einer Erweiterung der Verbindlichkeiten rechnen musste. Im Mietbereich von besonderem Interesse hierbei ist, inwieweit Mieterhöhungsvereinbarungen von der Bürgschaft mit umfasst werden. Sofern für die Mieterhöhung vertragliche Grundlagen bestehen (z.B. eine Wertsicherungsklausel), umfasst die Bürgenverpflichtung auch die abzusehenden Mieterhöhungen, was nach hier vertretener Ansicht auch für Mieterhöhungen unter Berufung auf die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 BGB gilt, da diese für den verständigen Bürgen bereits bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages absehbar waren (Vgl. Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 551 BGB Rn 26).
d) Auswirkungen des Todes des Mieters auf die Bürgschaft
Für Mietzinsansprüche nach dem Tod des Mieters hat der Bürge grds. nicht einzustehen, da hierfür bereits die nach den §§ 563 ff. BGB in den Mietvertrag eingetretenen Personen gemeinsam mit den Erben haften (vgl. § 1922 Abs. 1, § 1967 Abs. 1 BGB, LG Münster, Urt. v. 23.4.2008 – 14 S 7/07, WuM 2008, 481). Die §§ 563 ff. BGB stellen ihrerseits eine gesetzliche Sonderregelung zum erbrechtlichen Grundsatz der Universalsukzession dar, der sich aus §§ 1922 Abs. 1, 1967 Abs. 1 BGB ergibt (vgl. Müko-BGB/Häublein, 8. Auflage 2020, § 563 BGB Rn. 1). Den Parteien ist es jedoch unbenommen, eine Bürgenhaftung über den Tod des Mieters hinaus, privatautonom zu vereinbaren.
e) Rückgabe der Bürgschaftsurkunde nach Beendigung des Mietverhältnisses
Ist das Mietverhältnis beendet, so ist die Bürgschaftsurkunde zurückzugeben. Der Rückgabeanspruch steht dem Bürgen und nicht dem Mieter zu und folgt aus § 371 BGB analog (BGH, Urt. v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, NJW 2004, 3553). Sofern der Bürgschaftsvertrag unwirksam ist, steht dem Bürgen ein zusätzlicher Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu.
f) Übergang der Forderungen nach Leistung des Bürgen
Zahlt ein Bürge, so geht die Forderung des Vermieters nach § 774 S. 1 BGB kraft Gesetzes im Wege der cessio leges auf ihn über. Dies gilt jedoch nur, soweit die Forderungen des Vermieters zu Recht bestehen. Unabhängig vom rechtlichen Bestand der Vermieterforderung kann der Bürge gegen den Mieter einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 675, 670 BGB geltend machen, wobei der Bürge zur sorgfältigen Prüfung der Rechtslage vor seiner Leistung an den Vermieter verpflichtet ist. Sofern der Bürge diese Pflicht verletzt hat, scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch aus (BGH, Urt. v. 9.3.2005 – VIII ZR 394/03, NJW 2005, 2552; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 551 BGB Rn 31a).
Die Entscheidung des BGH vom 9.3.2005 (s. zuvor a.a.O.) ist insoweit bemerkenswert, als dass er auch bei einer Bankbürgschaft auf erstes Anfordern der sich verbürgenden Bank eine Prüfungspflicht auferlegt, welcher diese in der Praxis kaum sinnvoll nachkommen kann, da sie i.d.R. keinerlei Informationen zu etwaigen Einwendungen oder Einreden des Mieters hat und auch im Einzelfall schwer prüfen kann, ob diese tatsächlich stichhaltig sind. Letztlich steht die Entscheidung damit auch im Widerspruch zum Wesen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, bei welcher der Bürge nach einfacher Aufforderung durch den Gläubiger ohne weitere Prüfung bezahlen muss (siehe oben). Für den Bereich der (nur) selbstschuldnerischen Bürgschaft mag das Urteil zu Recht Geltung beanspruchen.
Der BGH führt in seiner Entscheidung vom 9.3.2005 – VIII ...