Weitgehend unbekannt ist in der Praxis, dass im Kostenfestsetzungsverfahren als Mittel der Glaubhaftmachung auch der Zeugenbeweis in Betracht kommen kann, der an sich ja kein klassisches Mittel der Glaubhaftmachung ist. Dies hat vor einiger Zeit das OVG Lüneburg (Beschl. v. 29.10.2020 – Az.1 OA 138/20, AGS 2021, 85 [Hansens]) bestätigt.
a) Fall des OVG Lüneburg im Beschl. v. 29.10.2020 – 1 OA 138/20
In dem vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des VG Osnabrück betriebenen Kostenfestsetzungsverfahren wandte sich der erstattungspflichtige Kläger gegen die Berücksichtigung von Anwaltskosten des Beigeladenen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Geltendmachung dieser Kosten sei rechtsmissbräuchlich, da er bereits im Vorfeld der Mandatierung in einem Gespräch mit dem Beigeladenen eine Klagerücknahme angekündigt habe. Dieses Vorbringen hat der Kläger durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner bei dem Gespräch anwesenden Ehefrau glaubhaft gemacht. Der Beigeladene hat den vom Kläger vorgebrachten Gesprächsinhalt bestritten. Welche Entscheidung der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle im Kostenfestsetzungsverfahren getroffen hat, wird im Sachverhalt des Beschlusses des OVG Lüneburg nicht mitgeteilt. Jedenfalls hat das VG Osnabrück im Erinnerungsverfahren die dem Beigeladenen zu erstattenden Anwaltskosten festgesetzt. Zur Begründung hat das VG ausgeführt, der vom Kläger behauptete Ablauf des Gesprächs sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Die vom Kläger vorgelegte eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau habe gegenüber seinem eigenen Sachvortrag keinen zusätzlichen Beweiswert. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass seine Ehefrau, die ihm naturgemäß nahestehe, ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens habe und sich auch bei der Abgabe ihrer eidesstattlichen Versicherung von derartigen Überlegungen habe leiten lassen. Da der Kläger für einen Rechtsmissbrauch die materielle Beweislast trage, gehe dessen Unerweislichkeit zu seinen Lasten. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hatte beim OVG Lüneburg Erfolg.
b) Argumentation des OVG Lüneburg
Vorliegend hatte der Kläger seine Behauptung, die Anwaltskosten des Beigeladenen seien aufgrund der in einem Gespräch mit dem Beigeladenen angekündigten Klagerücknahme rechtsmissbräuchlich und damit nicht erstattungsfähig, durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der bei diesem Gespräch anwesenden Ehefrau glaubhaft gemacht. Das OVG Lüneburg hat darauf hingewiesen, dass das VG diese eidesstattliche Versicherung nicht mit der Begründung habe unberücksichtigt lassen dürfen, aufgrund des Näheverhältnisses der Ehefrau zum Kläger und ein dadurch ggf. begründetes Eigeninteresse am Verfahrensausgang sei die eidesstattliche Versicherung als Glaubhaftmachungsmittel nicht geeignet. Das OVG Lüneburg hat dem VG Osnabrück entgegengehalten, es habe die eidesstattliche Versicherung der Ehefrau ohne deren persönliche Einvernahme nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Wenn nämlich die Entscheidung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen abhänge, so berechtigte auch der grds. auf Verfahrenseffizienz gerichtete Charakter des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht dazu, nach Aktenlage zu entscheiden. Die in § 294 Abs. 2 ZPO enthaltene Beschränkung auf präsente Beweismittel, die eine Zeugenvernehmung, die nicht sofort erfolgen kann grds. ausschließt, gelte nämlich im Kostenfestsetzungsverfahren nicht. Das OVG Lüneburg hat deshalb unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Sache an das VG Osnabrück zurückverwiesen, um dem VG Gelegenheit zu geben, die Ehefrau des Klägers als Zeugin zu vernehmen.
c) Praktische Auswirkungen
Zur Glaubhaftmachung können gem. § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel unter Einschluss der eidesstattlichen Versicherung verwendet werden. Dabei gilt die in § 294 Abs. 2 ZPO enthaltene Beschränkung auf präsente Beweismittel, wie etwa nur die Vernehmung eines anwesenden Zeugen, nicht in den Fällen, in denen das Gesetz die Glaubhaftmachung nicht erfordert, sondern – wie im Fall des § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO – lediglich genügen lässt (BGH RVGreport 2007, 274 [Hansens] = AGS 2007, 322). Es ist bereits fraglich, ob das VG Osnabrück die angeblich fehlende Glaubwürdigkeit der Ehefrau des Klägers allein auf ihr Näheverhältnis zum Kläger stützen durfte. Jedenfalls hätte das VG die eidesstattliche Versicherung der Ehefrau nicht nach Aktenlage unberücksichtigt lassen dürfen. Vielmehr hätte das VG die Ehefrau des Klägers als Zeugin laden müssen, um sich bei der persönlichen Vernehmung selbst ein Bild von ihrer Glaubwürdigkeit machen zu können.
Praxistipp:
Da viele Gerichte die Entscheidung des BGH (RVGreport 2007, 274 [Hansens] = AGS 2007, 322), auf die sich hier auch das OVG Lüneburg berufen hatte, nach der im Kostenfestsetzungsverfahren auch andere, nicht präsente, Beweismittel zur Glaubhaftmachung dienen können, nicht kennen, sollte der Prozessbevollmächtigte vorsorglich ausdrücklich einen Antrag auf Vernehmung derjenigen Person als Zeugen stellen, die die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.