I. Änderungen des Umsatzsteuersatzes bei der Anwaltsvergütung
Nach Nr. 7008 VV RVG erhält der Rechtsanwalt die Umsatzsteuer auf die Vergütung in voller Höhe, es sei denn, sie wird gem. § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben, wenn der Rechtsanwalt sog. Kleinunternehmer ist. Gemäß § 12 Abs. 2 UStG beträgt der Umsatzsteuersatz für die Vergütung des Rechtsanwalts regelmäßig 19 % der Bemessungsgrundlage. Durch das 2. Corona-Steuerhilfegesetz vom 29.6.2020 (BGBl I, S. 1512) ist der Umsatzsteuersatz durch Einfügung der neuen Absätze 1 und 2 in § 28 UStG für den Zeitraum vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 von 19 % auf 16 % bzw. von 7 % auf 5 % ermäßigt worden. In der Praxis stellt sich deshalb häufig die Frage, ob die Vergütung des Rechtsanwalts mit 19 % oder nur mit 16 % zu versteuern ist. Das VG Berlin hat sich neulich mit dieser Problematik befasst.
1. Fall des VG Berlin
Die Klägerin hatte mit ihrer beim VG Berlin eingereichten Klage keinen Erfolg. Der Rechtsstreit endete durch den in der Kostengrundentscheidung zum Nachteil der Klägerin enthaltenden Beschluss vom 3.12.2020. Laut des Ab-Vermerks der Geschäftsstelle des VG wurde dieser Beschluss am 6.1.2021 an die Prozessbeteiligten übersandt. Am 11.1.2021 ist der Beschluss dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugegangen. Aufgrund dieser Kostenentscheidung beantragte die Beklagte die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten, wobei die Anwaltsvergütung mit einem Umsatzsteuersatz von 19 % berechnet wurde. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Anwaltsvergütung nur unter Berücksichtigung eines Umsatzsteuersatzes von 16 % festgesetzt. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) der Beklagten hatte beim VG Berlin (Beschl. v. 28.4. 2021 – 14 KE 21/21, juris) Erfolg.
2. Maßgeblicher Stichtag bei Änderung des Umsatzsteuersatzes
Für die Frage, auf welchen Stichtag die Berechnung der Höhe der Umsatzsteuer abzustellen ist, kommt es nicht auf die allgemeine Übergangsvorschrift des § 60 RVG (s. N. Schneider NJW 2007, 325; Hansens RVGreport 2007, 41) an, auch nicht auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung, der Vereinnahmung der Vergütung oder der Erstellung der Vergütungsberechnung durch den Rechtsanwalt (Volpert RVGreport 2020, 322; N. Schneider ErbR 2021, 196).
Vielmehr ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Umsatzsteuer der Tag, an dem der Anwalt seine Leistung erbracht hat bzw. das Ende des Leistungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist (N. Schneider ErbR 2021, 196).
3. Fälligkeit der Anwaltsvergütung
Das VG Berlin vertritt ebenso wie Volpert (RVGreport 2020, 322, 323) die Auffassung, dass für die Frage, mit welchem Umsatzsteuersatz die Vergütung des Rechtsanwalts zu versteuern ist, auf die Beendigung der Anwaltstätigkeit abzustellen sei. Maßgebend ist hierfür das Ende des Leistungszeitraums, in dem die anwaltliche Tätigkeit erbracht worden ist. Dieser Zeitpunkt wird im Regelfall mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Anwaltsvergütung zusammenfallen, weil auch die Fälligkeit der Vergütung auf die Beendigung der Tätigkeit abstellt (s. etwa OLG Koblenz AGS 2007, 302 = RVGreport 2007, 191 [Hansens]; LG Karlsruhe RVGreport 2008, 26 [ders.]; Hansens RVGreport 2007, 41; N. Schneider NJW 2007, 325). Kommen danach mehrere Fälligkeitszeitpunkte in Betracht, ist derjenige maßgeblich, der als erster erfüllt worden ist (BGH AnwBl. 1985, 257; BGH WM 1976, 594; Volpert RVGreport 2020, 322, 323).
Nicht ganz unumstritten ist allerdings die Frage, ob tatsächlich auf alle fünf Fälligkeitszeitpunkte des § 8 Abs. 1 RVG abzustellen ist. Bejaht wird dies bspw. vom VG Berlin (a.a.O.) und von Volpert (a.a.O.). Demgegenüber vertritt N. Schneider (ErbR 2021, 196) die Auffassung, es komme allein auf die Fälligkeit der Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG an, während die weiteren Fälligkeitstatbestände nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG unbeachtlich seien.
4. Fälligkeit der Anwaltsvergütung im Fall des VG Berlin
Maßgeblicher Zeitpunkt war hier nach Auffassung des VG der unbestrittene Zugang des die Kostengrundentscheidung enthaltenen Beschlusses vom 3.12.2020 beim Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin am 11.1.2021. Nach den weiteren Ausführungen des VG Berlin ist eine Kostenentscheidung dann ergangen, sobald das Gericht in der Sache in irgendeiner Weise über die Kosten erkannt hat. Dabei sei es gleichgültig, ob der Kostenausspruch konstitutiv wirke oder nur eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Folge bestätige. Ergangen sei die Kostenentscheidung mit deren Verkündung, anderenfalls mit der Zustellung oder dem formlosen Zugang bei den Parteien. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kostenentscheidung beim Prozessbevollmächtigten der Beklagten war die vorübergehende Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf 16 % bereits wieder außer Kraft getreten.
Für die dem VG Berlin vorliegende Fallgestaltung kommt es auf den Streit, ob auf sämtliche Fälligkeitstatbestände oder nur auf die in § 8 Abs. 1 S. 1 RVG genannten abzustellen ist, nicht an. Denn auch bei Anwendung nur der Fälligkeitstatbestände des § 8 Abs. 1 S. 1 RVG war die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten erst nach dem 31.12.2020 fällig geworden. Die Angelegenheit – hier der Rechtsstreit vor dem VG Berlin – war nämlich erst e...