Der Wortlaut von § 15a Abs. 1 S. 1 EGZPO bzw. der entsprechenden Landesgesetze deutet in die Richtung, dass eine Schlichtung in dem Zeitraum zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit nachgeholt werden kann. Die Vorschriften sprechen von einer „Erhebung der Klage”. Nach der Terminologie der ZPO wird eine Klage erst durch die Zustellung eines Schriftsatzes erhoben (vgl. § 253 Abs. 1 ZPO; so auch LG Landau in der Pfalz, Urt. v. 28.2.2020 – 1 S 175/18, unveröffentlicht; AG Kandel, Urt. v. 19.10.2018 – 4 C 134/18, unveröffentlicht; Nicht SchiedsVZ 2008, 293, 295).
Indes wird in § 15a Abs. 1 S. 2 EGZPO festgelegt, dass der Kläger eine von der Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch mit der Klage einzureichen hat. Dieses Erfordernis spricht gegen eine Nachholungsmöglichkeit der Schlichtung. Denn die Einreichung bewirkt die Anhängigkeit der Klage (vgl. z.B. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, § 253 ZPO, Rn 14; Musielak/Voit/Foerste, 18. Aufl. 2021, § 261 ZPO, Rn 3).
Freilich ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nur in § 15a Abs. 1 S. 1 EGZPO einen Konnex zwischen Schlichtungserfordernis und Zulässigkeit der Klage herstellt. In § 15a Abs. 1 S. 2 EGZPO fehlt eine Rechtsfolgenanordnung für den Fall, dass die Bescheinigung nicht mit der Klage eingereicht wird. Der Wortlaut von § 15a EGZPO ist somit im Hinblick auf die hiesige Frage widersprüchlich (vgl. AG Stadthagen, Urt. v. 1.3.2013 – 41 C 317/11 (VII), BeckRS 2013, 9713).
Um diesen Widerspruch aufzulösen, wird vertreten, dass der Begriff der Klageerhebung i.S.v. § 15a Abs. 1 S. 1 EGZPO enger zu fassen sei als der prozessuale Klageerhebungsbegriff nach § 253 Abs. 1 ZPO. Unter Einbeziehung von Sinn und Zweck eines Schlichtungsverfahrens sei der Begriff der Klageeinreichung so zu verstehen, dass das Schlichtungsverfahren „vor dem ersten Schritt der Rechtshängigkeit, also der Klageeinreichung durchgeführt werden” müsse (AG München, Urt. v. 30.9.2002 – 453 C 7515/02, NJW-RR 2003, 515; kritisch dazu Friedrich MDR 2003, 1313, 1314; ähnlich AG Nürnberg, Urt. v. 22.2.2001 – 20 C 567/01, NJW-RR 2002, 430 im Bereich des § 495a ZPO).
Entscheidend für die Beurteilung der terminologischen Streitfrage muss sein, dass es sich bei dem Begriff „Klageerhebung” um einen eindeutig definierten Begriff handelt, der nicht situationsbezogen umdefiniert werden darf. Deswegen ist dem Wortlaut von § 15a Abs. 1 S. 1 EGZPO nach die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bis zur Klageerhebung i.S.d. der Zustellung der Klage möglich. Die Spannungslage zu § 15a Abs. 1 S. 2 EGZPO ist dann dahingehend zu beheben, dass die dort verlangte Einreichung der von der Gütestelle ausgestellten Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch bis zur Klageerhebung möglich sein muss.