Aus dem Gedanken einer Entlastung der Justiz und der Notwendigkeit einer rascheren und kostengünstigeren Bereinigung von Konflikten als Telos von § 15a EGZPO, wird die Durchführung einer Schlichtung bereits vor Anhängigkeit der Klage für erforderlich gehalten (so MüKoZPO/Gruber, 5. Aufl. 2017, EGZPO § 15a Rn 7; a.A. AG Kandel, Urt. v. 19.10.2018 – 4 C 134/18, unveröffentlicht). Denn nach Anhängigkeit der Klage bestünden ernsthafte Zweifel, ob sich der Kläger tatsächlich noch auf eine Schlichtung einlassen möchte (so AG Saarbrücken, Urt. v. 3.8.2006 – 37 C 280/06, BeckRS 2006, 17288).
Es kann aber nicht pauschal unterstellt werden, dass sich jeder Kläger eines anhängigen Rechtsstreits einer gütlichen Einigung verweigern werde, um seine anhängige Klage zu „retten” (Nicht SchiedsVZ 2008, 293, 295). Dass eine solche Mentalität nicht durchgehend unterstellt werden kann, folgt schon daraus, dass das Gericht auch innerhalb eines Klageverfahrens in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein soll (§ 278 Abs. 1 ZPO). Diese gesetzgeberische Überlegung setzt voraus, dass die Parteien sogar noch bei einem weit fortgeschrittenen streitigen Verfahren zu einer gütlichen Einigung bewegt werden können (in diese Richtung auch AG Stadthagen, Urt. v. 1.3.2013 – 41 C 317/11 (VII), BeckRS 2013, 9713). In § 278a Abs. 1 ZPO ist sogar die Möglichkeit vorgesehen, den Parteien im laufenden Verfahren eine außergerichtliche Konfliktbeilegung vorzuschlagen. Anhand dieser Wertung zeigt sich, dass der Gesetzgeber es gerade nicht als ausgeschlossen ansieht, in diesem Stadium noch eine Einigung zu erzielen (vgl. zu diesem Argument bereits Friedrich NJW 2002, 798, 799; noch zu § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO i.d.F. v. 27.7.2001).
Zu erwägen ist freilich noch das Argument, dass die Entlastung der Gerichte nicht realisiert wird, wenn man in der hiesigen Konstellation eine Nachholungsmöglichkeit für die Schlichtung einräumt (so AG Saarbrücken, Urt. v. 3.8.2006 – 37 C 280/06, BeckRS 2006, 17288; a.A. Reiß, Obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, S. 25, allerdings generell zur Nachholungsmöglichkeit eines Schlichtungsverfahrens ohne Differenzierung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit). Die Beurteilung hängt indessen davon ab, was man unter Prozessökonomie versteht. Stellt man lediglich auf den einzelnen Prozess ab, so führt die Verweigerung einer Nachholungsmöglichkeit im Hinblick auf die Schlichtung dazu, dass der Kläger nach Durchführung der Schlichtung ggf. eine weitere Klage einreichen muss. Das Gericht muss sich dann insgesamt mit zwei Klagen beschäftigen. Gestattet man hingegen die Nachholung der Schlichtung, bleibt es bei der einen Klage, mit der sich das Gericht ohnehin auseinandersetzen muss. Weitet man darüber hinaus den Blick und beurteilt nicht nur die Situation des einen bereits laufenden Verfahrens, sondern darüber hinaus die Mentalität der Prozessbeteiligten und die Gesamtheit der Verfahren mit vergleichbarer Problemlage, könnte man mit dem BGH die Zulassung einer Nachholungsmöglichkeit im Hinblick auf die verfolgten Ziele der Schlichtung als prozessökonomisch kontraproduktiv betrachten.
Letzten Endes kommt es auf die Entscheidung der prozessökonomischen Frage nicht an, weil wiederum § 15a Abs. 1 S. 1 EGZPO deutlich besagt, dass der Einigungsversuch vor Erhebung der Klage, also in der Terminologie der ZPO vor Rechtshängigkeit stattzufinden hat. Sollte diese Lösung nicht prozessökonomisch sein, könnte diese Situation nur de lege ferenda geändert werden. Hinzu kommt im Übrigen noch, dass die prozessökonomischen Erwägungen insgesamt nicht empirisch unterlegt sind, sondern mit vielleicht plausiblen, aber letzten Endes noch untersuchungsbedürftigen Hypothesen arbeiten.
Hinweis:
Da die besseren Gründe dafür sprechen, dass das obligatorische Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO noch im Zeitraum zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit durchgeführt werden kann, sollten in dieser Situation noch keine Gerichtskosten eingezahlt werden, damit die Klage nicht zugestellt wird (§ 12 Abs. 1 S. 1 GKG). Vielmehr sollte vor Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses der Versuch unternommen werden, eine außergerichtliche Streitbeilegung zu erreichen.