Bis zur Entscheidung des BGH im Jahre 2004 war umstritten, ob das obligatorische Streitschlichtungsverfahren der Klageerhebung zwingend vorausgehen muss oder ob es genügt, wenn das Schlichtungsverfahren bis zum letzten Termin zur mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nachgeholt wird (vgl. dazu die Darstellung der Rechtsprechung in der Entscheidung des BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, NJW 2005, 437, 438).
Der BGH judizierte, dass das obligatorische Streitschlichtungsverfahren der Klageerhebung zwingend vorausgehen muss. An dieser Rechtsprechung hat der BGH auch in der Folgezeit festgehalten (BGH, Urt. v. 13.7.2010 – VI ZR 111/09, NJW-RR 2010, 1725; BGH, Urt. v. 7.7.2009 – VI ZR 278/08, NJW-RR 2009, 1239). Die zu diesem Ergebnis führende Argumentation soll nun analysiert werden, um zu entscheiden inwiefern sich diese Überlegungen auf die hier zur Diskussion gestellte Frage übertragen lassen.
Hinweis:
Nach Rechtshängigkeit der Klage kann das obligatorische Streitschlichtungsverfahren (§ 15a EGZPO) nicht mehr nachgeholt werden. Aus Kostengründen empfiehlt es sich daher in dieser Situation, die Klage zurückzunehmen (§ 269 Abs. 1 ZPO), damit keine Gerichtskosten in dreifacher Höhe, sondern lediglich in einfacher Höhe anfallen (Nr. 1211 Nr. 1 lit. a) Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
1. Wortlaut
Der BGH beginnt seine Argumentation mit einer Wortlautauslegung. Dadurch, dass § 15a EGZPO bzw. die entsprechenden Landesgesetze die Erhebung der Klage erst dann für zulässig erachten, wenn das Schlichtungsverfahren bereits durchgeführt worden ist, komme eine Nachholung des Schlichtungsverfahrens nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, NJW 2005, 437, 438).
2. Wille des Gesetzgebers
Dass eine Nachholung des Schlichtungsverfahrens ausscheiden müsse, sei im Übrigen auch der Wille des Gesetzgebers, der auf den Wortlaut der Vorschrift Bezug nimmt und eine Nachholung des Einigungsversuchs ablehnt (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, NJW 2005, 437, 438).
3. Sinn und Zweck
Darüber hinaus führt der BGH den Sinn und Zweck des Schlichtungserfordernisses dafür ins Feld, um die Möglichkeit einer Nachholung des Einigungsversuches auszuschließen. Die Entlastung der Justiz und die raschere und kostengünstigere Bereinigung von Konflikten könne nur erreicht werden, wenn vor der Anrufung der Gerichte tatsächlich eine Einigung vor den Schlichtungsstellen versucht worden sei. Bei einer anderen Betrachtungsweise wäre der Kläger von vorherein entschlossen, eine Schlichtung scheitern zu lassen (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, NJW 2005, 437, 439). Der Einwand der Gegenmeinung, dass es prozessökonomisch wenig sinnvoll sei, die Nachholungsmöglichkeit einer Schlichtung auszuschließen, überzeugt den BGH nicht, weil sich prozessökonomische Überlegungen nicht nur auf den gerichtlichen Prozess beziehen dürften. Entscheidend sei, dass die Zulassung einer Nachholungsmöglichkeit im Hinblick auf die verfolgten Ziele kontraproduktiv sei (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, NJW 2005, 437, 439).