Das Verhalten des Richters vor oder während der Hauptverhandlung ist in der Praxis der häufigste Ablehnungsgrund (eingehend Burhoff, EV, Rn 34 ff.; Burhoff, HV, Rn 97 ff.). Es kann die Ablehnung insb. begründen, wenn es besorgen lässt, dass der Richter nicht unvoreingenommen an die Sache herangeht.
Das ist insb. dann der Fall, wenn der Richter bereits von der Schuld des Angeklagten endgültig überzeugt zu sein scheint. Das ist in folgenden Fällen bejaht worden: Er teilt die dem Angeklagten zur Last gelegten Vorgänge der Presse als schon feststehend mit (BGH NJW 1953, 1358) oder gibt entsprechende Äußerungen gegenüber dem Verteidiger ab (BGH NJW 1976, 1462) oder er gibt schon in einer Zwischenentscheidung trotz unsicherer Beweislage in sicherer Form seiner Überzeugung von der Schuld des Angeklagten Ausdruck (BGH GA 1962, 282). Das Äußern einer Rechtsansicht vor der Hauptverhandlung ist hingegen kein Ablehnungsgrund (BVerfGE 4, 143).
Bei der Verhandlungsführung ist Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Richters gerechtfertigt, wenn sie rechtsfehlerhaft, unangemessen oder sonst unsachlich ist (Burhoff, EV, Rn 43 ff.; Burhoff, HV, Rn 104 ff.). Das ist z.B. bejaht worden, wenn der Richter dem Angeklagten bewusst das rechtliche Gehör versagt (OLG Schleswig SchlHA 1976, 44; BayObLG StV 1988, 97) oder das Fragerecht unberechtigt beschränkt (BGH StV 1985, 2), wenn er grob unsachlich seinen Unmut über Beweisanträge des Verteidigers äußert (BGH NStZ 1988, 327), wenn er den Angeklagten bedrängt, ein Geständnis abzulegen (BGH NJW 1982, 1712) oder sich zur Sache einzulassen (BGH NJW 1959, 55), wenn er ihn sonst unangemessen oder ehrverletzend behandelt (vgl. BGH StV 1991, 49 [Hinweis auf Todesstrafe in anderen Ländern]), wenn er bei der Vernehmung eines Zeugen erkennen lässt, dass er sich in der Beurteilung der Aussage als unwahr schon endgültig festgelegt hat (BGH NJW 1984, 1907 f.) oder wenn er dem Verteidiger erklärt, er werde die Hauptverhandlung nicht "platzen" lassen, auch auf die Gefahr hin, dass das Urteil aufgehoben werde (BGH MDR 1972, 571) oder, wenn er seine Befriedigung darüber zum Ausdruck bringt, dass der Angeklagte keinen Kontakt mehr zu einem Mitangeklagten hat (BGH StV 1991, 450; wegen weiterer Rechtsprechung Burhoff, HV, Rn 112). Zur Ablehnung berechtigen kann es, wenn der Pflichtverteidiger von seinem Mandat unberechtigt entbunden wird (u.a. BGH NJW 1990, 1373; NStZâEUR™1988, 510; s.a. Burhoff, HV, Rn 107). Ein Ablehnungsgrund kann auch darin liegen, dass der Staatsanwaltschaft Zusagen hinsichtlich des Strafmaßes gemacht werden, nur um sie zur Zurücknahme eines Antrags zu bewegen (BGH NStZ 1985, 36) oder wenn bei der Staatsanwaltschaft die Erhebung einer Nachtragsanklage angeregt wird (BGH MDR 1957, 653). "Vergleichsgespräche" können dann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn der Angeklagte aufgrund des Verlaufs der Gespräche befürchten muss, er habe unabhängig vom weiteren Verlauf der Verhandlung Nachteile zu erwarten (zu Ablehnungsgründen in Zusammenhang mit Verständigungsfragen Burhoff, HV, Rn 109 f. m.w.N., vor allem wegen Drohen mit der sog. Sanktionsschere, BGH NStZ 2005, 526; NStZ 2008, 170).
Ein aus dem Verhalten oder Äußerungen des Richters abgeleiteter Ablehnungsgrund ist in folgenden Fällen hingegen grds. verneint worden: Wegen der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, einer Religion, Weltanschauung, Rasse, einem anderen Geschlecht oder einem bestimmten Familienstand (BVerfG NJW 1953, 1097; zur Ablehnung eines Fraktionsvorsitzenden der DVU, der sich öffentlich deutlich ausländerfeindlich geäußert hat, s. LG Bremen StV 1993, 69), wegen des Rates, ein Rechtsmittel wegen geringer Erfolgsaussichten zurückzunehmen (OLG Hamm GA 58, 58; vgl. aber auch KG StV 1988, 98), wenn der Vorsitzende dem Angeklagten in nachdrücklicher Weise Vorhalte gemacht hat (BGH MDR 1957, 16), wegen nach der Sachlage verständlicher Unmutsäußerungen (BGH NJW 1977, 1829: "Theater") sowie wegen sachlich gerechtfertigter sitzungspolizeilicher Maßnahmen (a.A. LG Hamburg StV 1981, 617). Auch dass der Richter außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt zu einem Mitangeklagten aufnimmt, ist nicht ohne Weiteres ein Ablehnungsgrund (BGH NStZ 2009, 701; 2019, 223; StV 1988, 417; vgl. aber a.A. BGH NStZ 1983, 359 für den Fall, dass er den in Haft befindlichen Mitangeklagten in der Zelle aufsucht, ihm einen Beschluss übergibt und sich mit ihm über das Verfahren und über Privates unterhält). Zur Ablehnung berechtigen auch nicht Fehler bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung (Burhoff, HV, Rn 106 m.w.N.) sowie ebenfalls nicht Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen, wie sie jedem Richter unterlaufen können, es sei denn sein prozessuales Vorgehen entbehrt einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und erscheint willkürlich (BayObLG DRiZ 1977, 244). Der Richter darf nicht massiv gegen das Strafverfahrensrecht verstoßen, denn das kann bei verständiger Würdigung der Sache beim Angeklagten den Eindruck erwecken, der Richt...