Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines sog. Wohnungsbordells im Mischgebiet
Bei der bauplanungsrechtlichen Frage nach der Zulässigkeit eines sog. Wohnungsbordells im Mischgebiet – im vorliegenden Fall wird die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung ehemaliger Wohnräume in "gewerbliche Nutzung" (gewerbliche Zimmervermietung, bordellähnlicher Betrieb) begehrt – hat das BVerwG durch Urteil vom 9.11.2021 (4 C 5.20, NVwZ 2022, 416 ff.; BauR 2022, 615 ff.; ZfBR 2022, 257-259; LKV 2022, 73 ff.) deutlich gemacht, dass sich an der Beurteilung prostitutiver Betriebe auf der Grundlage der eingeschränkten Typisierungslehre weder durch das ProstitutionsgesetzâEUR™noch durch das Prostituiertenschutzgesetz etwas geändert habe. Das Störpotenzial eines sog. Wohnungsbordells im Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO lasse sich nicht typisierend erfassen. Es bedürfe vielmehr einer Einzelfallprüfung.
Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Allgemein zulässig sind u.a. sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO).
Das BVerwG hebt zunächst seine Rechtsprechung hervor, nach der bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung, ob ein Betrieb als i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO "das Wohnen wesentlich störender" undâEUR™damit im Mischgebiet unzulässiger Gewerbebetrieb zu bewerten ist, im Ausgangspunkt eine – eingeschränkte – typisierende Betrachtung anzustellen sei (grundlegend BVerwGE 68, 342, 346 f.; ferner BVerwG, Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22). Der Betrieb sei als unzulässig einzustufen, wenn von Betrieben seines Typs bei funktionsgerechter Nutzung üblicherweise für die Umgebung in diesem Sinne unzumutbare Störungen ausgehen könnten; auf das Maß der konkret hervorgerufenen oder in Aussicht genommenen Störungen komme es grds. nicht an. Eine typisierende Betrachtungsweise verbiete sich jedoch, wenn der zur Beurteilung stehende Betrieb zu einer Branche gehöre, deren übliche Betriebsformen hinsichtlich des Störgrades eine große Bandbreite aufwiesen, die von nicht wesentlich störend bis störend oder sogar erheblich belästigend reichen könne. Sei mithin ein Betrieb einer Gruppe vonâEUR™Gewerbebetrieben zuzurechnen, die hinsichtlich ihrer Mischgebietsverträglichkeit zu wesentlichen Störungen führen könnten, aber nicht zwangsläufig führen müssten, wäre eine abstrahierende Bewertung des konkreten Betriebs nicht sachgerecht. Ob solche Betriebe in einem Mischgebiet zugelassen werden könnten, hänge dann von ihrer jeweiligen Betriebsstruktur ab. Maßgeblich sei, ob sich die Störwirkungen, die die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lasse, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben sei.
Hinweis:
Eine typisierende Betrachtung kann auch das Störpotenzial prostitutiver Betriebe in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen sachgerecht erfassen. Sie deckt aber nicht das gesamte Spektrum solcher Einrichtungen ab.
So wird vom BVerwG angenommen, dass die sog. Wohnungsprostitution gesondert zu betrachten sei. Sie sei dadurch gekennzeichnet, dass die Prostituierte in der Wohnung, in der sie dauerhaft wohne, der Prostitution nachgehe. Diese gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten sei i.d.R. von außen nicht wahrnehmbar und habe keine erheblichen negativen Auswirkungen auf die benachbarte Wohnnutzung.
Zu sonstigen Prostitutionseinrichtungen, denen der prägende Bezug zur Wohnung der Prostituierten fehlt, und die Bordelle sowie bordellartige Betriebe in unterschiedlicher Gestalt umfassen, nimmt das BVerwG an, dass es sich um das Wohnen wesentlich störende Betriebe handele. Zur Begründung hat es maßgeblich auf die von einem solchen Betrieb ausgehenden Nachteile und Belästigungen, insb. auf den Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs und sonstige "milieubedingte" Unruhe abgestellt. Eine typisierende Betrachtung könne danach nur so weit reichen, als es um Betriebe gehe, die insb. solche beeinträchtigenden Auswirkungen auf ihre Umgebung hervorrufen könnten, die dem städtebaulich zu verstehenden Begriff der "milieubedingten" Unruhe zuzuordnen seien. Dieser sei allein auf Störungen ausgerichtet, aus denen Konflikte zu anderen Nutzungsarten, insb. zur Wohnnutzung, entstehen könnten und die durch räumliche Trennung und Gliederung widerstreitender Nutzungsarten, nämlich der Verweisung in eine andere Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung, gelöst werden könnten. Solche Störungen setzten voraus, dass der prostitutive Betrieb nach außen – in welcher Form auch immer – in Erscheinung trete, wie z.B. durch Werbung im Umfeld des Betriebs oder auch eine entsprechende (Fassaden-)Gestaltung (Aufschriften, auffällige Werbung).
Hinweis:
Nach einem so vom BVerwG verstandenen Begriff der "milieubedingten" Unruhe kann der i.R.d. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO anzustellenden typisierenden Betrachtungsweise nur ein Betrieb zugrunde gelegt werden, der nach außen als solcher in Erscheinung tritt und/oder in d...