Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Passwesens, der u.a. die Abschaffung des Kinderreisepasses vorsieht (vgl. dazu auch ZAP 2023, 365), ist bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestagsinnenausschuss Anfang Juli auf geteiltes Echo gestoßen. Während einige der geladenen Experten die geplante Vereinfachung und Modernisierung begrüßten, warnten andere u.a. vor der Entstehung bedenklicher "Schattendatenbanken".
Den Gesetzesplänen zufolge soll in Zukunft statt des Dokumententyps "Kinderreisepass" ein elektronischer Reisepass mit einer längeren Gültigkeitsdauer sowie der Nutzungsmöglichkeit für weltweite Reisen beantragt werden können. In begründeten Einzelfällen soll – bei Anerkennung im Reisezielland – auch die Beantragung eines vorläufigen Reisepasses in Betracht kommen, welcher i.d.R. sofort ausgestellt werden kann. Zudem soll mit dem Gesetzentwurf durch die Einführung eines neuen Passversagungsgrundes Kindesmissbrauch im Ausland verhindert werden. Weitere zentrale Themen des Gesetzesvorhabens sind die automatisierte Datenverarbeitung sowie die Datenweitergabe zwischen den Behörden.
Ein Vertreter der Bundesdruckerei begrüßte in der öffentlichen Anhörung die geplante Neuregelung. Es gebe damit eine Reihe von Vereinfachungs- und Verbesserungsansätzen, die den Bürgerservice verbessern sollen, so der Experte. Die Abschaffung des Kinderreisepasses führe zu einer Vereinheitlichung der Prozesse, "und auch dazu, dass die Bürger weniger oft in die Behörde müssen". Gut sei auch, dass die Voraussetzungen für den Direktversand von Personaldokumenten geschaffen würden.
Eine Kriminalrätin vom BKA begrüßte insb. den Kinderschutzaspekt des Gesetzentwurfs. "Wir haben die Pflicht, die schwächsten Menschen in unserer Gesellschaft – die Kinder – insb. auch diejenigen, die keinen Schutz durch Familie und Staat im Ausland aufgrund vielfältiger Ursachen erfahren, vor deutschen Staatsangehörigen, die mit dem alleinigen Ziel des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ins Ausland reisen, zu schützen", argumentierte sie und sprach sich für eine Erweiterung der Passversagung im Passgesetz aus.
Demgegenüber kritisierte der Stellvertreter des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, dass künftig Daten, die Behörden im Rahmen einer Identitätsprüfung aus dem Chip ausgelesen haben, medienbruchfrei in anderen Datenverarbeitungssystemen weiterverarbeitet werden sollen. Diese Regelung entspreche nicht den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Es müsse ausgeschlossen werden, dass "Schattendatenbanken" entstehen, in denen Daten aus Identitätsfeststellungen ohne klare Zweckbindung für möglicherweise erst in der Zukunft erforderliche weitere Datenverarbeitungen gespeichert würden, so der Datenschützer.
Ähnlich sah es die Expertin von der Stiftung Datenschutz, die sich gegen einen automatisierten Lichtbildabruf für öffentliche Stellen aussprach. Die Verarbeitung biometrischer Daten stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der betroffenen Person dar. Daher müssten erhebliche öffentliche Interessen erfüllt sein, um einen solchen Zugriff zu rechtfertigen und besonders hohe technische Anforderungen an die Sicherheit der Übermittlung gestellt werden, sagte sie.
Kritisch äußerte sich auch der Vertreter der Gesellschaft für Freiheitsrechte: "Schattendatenbanken" mit sensiblen biometrischen Daten könnten zu einem verstärkten Gefühl der Überwachung in der Bevölkerung führen, befürchtete er. Sehr kritisch stand er auch der in einem Ergänzungsantrag vorgeschlagenen Erweiterung von Passversagungsgründen gegenüber. Eine Anknüpfung an die inhaltliche Ausrichtung einer Versammlung oder einen "undefinierten Extremismusbegriff" sei unzulässig. Entsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch schon 2009 entschieden.
Handwerkliche Mängel des Gesetzentwurfs wurden von anderen Experten thematisiert. Ein Vertreter der Stadt Stuttgart begrüßte zwar den Wegfall des einjährigen Kinderreisepasses. Die jetzt vorgenommene Verlängerung der Gültigkeitsdauer sei jedoch unrealistisch, befand er. Gerade Kinder in den ersten Lebensjahren veränderten ihr Erscheinungsbild in kurzen Zeiträumen. Ein für sechs Jahre gültiger Pass werde daher im Regelfall noch vor dem Ende seiner Gültigkeitsdauer ungültig werden.
"Gut gemeint, ist nicht immer gut gemacht", befand auch der Experte des Deutschen Städtetages mit Blick auf den künftig zulässigen postalischen Versand neuer Ausweispapiere. Problematisch hieran sei beispielsweise, dass dieser an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sei, insb. an die Vorlage eines gültigen Ausweisdokuments und die Zustellung ausschließlich an die Meldeanschrift, meinte der Experte. Dies schränke den infrage kommenden Personenkreis erheblich ein und lasse auf eine geringe Nutzungsquote schließen, sagte er. Weitere Probleme seien durch die vorgesehene persönliche Zustellung zu befürchten.
Das Gesetz werde wahrscheinlich vor dem BVerfG landen...