1. Beweiswirkung eines elektronischen Empfangsbekenntnisses
In dem zugrunde liegenden Fall geht es um die Bestimmung von Umfang und Inhalt der Beweiskraft eines von einem Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht abgegebenen elektronischen Empfangsbekenntnisses. Zur Beweiswirkung eines von einem Rechtsanwalt abgegebenen Empfangsbekenntnisses hat das BVerwG in seinem Beschl. v. 19.9.2022 (9 B 2/22, FamRZ 2023, 207 ff. = LKV 2022, 505 ff. = NJW 2023, 703 ff.) ausgeführt, ebenso wie das herkömmliche papiergebundene anwaltliche Empfangsbekenntnis erbringe auch das elektronische Empfangsbekenntnis den (vollen) Beweis etwa für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt sowie für den Zeitpunkt der Entgegennahme. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben sei zwar zulässig, setze aber voraus, dass die Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen sei, dass die Angaben richtig sein könnten.
Die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses folge aus der in der ZPO enthaltenen besonderen Beweisregel, die nach § 56 Abs. 2 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gelte. Gemäß § 174 Abs. 4 S. 1 ZPO in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung genüge zum Nachweis der Zustellung an einen Anwalt nach § 174 Abs. 1 ZPO a.F. das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden sei. Entsprechendes bestimme nunmehr § 175 Abs. 3 ZPO n.F. Diese gesetzliche Beweisregel (§ 286 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH, Beschl. v. 7.10.2021 – IXâEUR™ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn 10) sei Ausdruck des besonderen Vertrauens, das der Gesetzgeber u.a. der Berufsgruppe der Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege entgegenbringe, und verleihe dem unterschriebenen, datierten und an das Gericht zurückgesandten Empfangsbekenntnis eine Beweiswirkung, die der einer Zustellungsurkunde nach § 418 ZPO entspreche.
Hinweis:
Auch bzgl. des elektronischen Empfangsbekenntnisses ergibt sich dessen Beweiswirkung aus der ausdrücklichen gesetzlichen Beweisregelung.
2. Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs
Das BVerwG hebt in seinem Beschl. v. 8.12.2022 (8 B 51/22, NVwZ 2023, 523 f.) hervor, dass § 55d S. 1 VwGO Rechtsanwälte verpflichte, die Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument einzureichen. Eine Übermittlung in Papierform sei nur zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich sei. Die vorübergehende Unmöglichkeit sei bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (vgl. § 55d S. 3 und 4 VwGO). Werde die elektronische Form des § 55d S. 1 VwGO nicht beachtet, ohne dass die Voraussetzungen des § 55dâEUR™S. 3 und 4 VwGO erfüllt seien, führe dies zur Unwirksamkeit der in Papierform eingereichten Erklärungen und zur Unzulässigkeit damit erhobener Rechtsmittel (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 55d Rn 5; Buchheister in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 55d Rn 2 f.).
Hinweis:
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist kommt nicht in Betracht. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Wird auf die verwaltungsgerichtliche Praxis der Aktenführung Bezug genommen, ist dies nicht geeignet, die Missachtung des § 55d VwGO zu entschuldigen.