1. Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund eines nicht beigebrachten Fahreignungsgutachtens bei gelegentlichem Cannabiskonsum
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§âEUR™11–14âEUR™FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 S. 1 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtMG vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 S. 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.
Der BayVGH weist in seinem Beschl. v. 1.7.2022 (11 CS 22.860) darauf hin, dass dann, wenn sich der Betroffene weigere, sich untersuchen zu lassen, oder er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringe, diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen dürfe (§ 11 Abs. 8 S. 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung sei gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insb. anlassbezogen und verhältnismäßig gewesen sei. Bei feststehender Ungeeignetheit sei die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukomme. Dies gelte auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.
Der BayVGH hebt hervor, dass bei der Wertung, dass der Betroffene mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert habe, es sich um einen Akt der Beweiswürdigung handele. Zwar sei die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trage, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten gehe. Allerdings liege ein einmaliger Konsum nur dann vor, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen habe oder frühere Konsumakte derart weit zurücklägen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden könne und er ausâEUR™besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen habe. Dies plausibel darzulegen, obliege dem Betroffenen. Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falls, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führe und dann auch noch von der Polizei kontrolliert werde, sei i.R.d. Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden müsse.
2. Fahrtenbuchauflage und Feststellung des Halters
Ergibt sich etwa bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung für die Bußgeldbehörde ein für die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung ursächliches Ermittlungsdefizit, kann behördlich eine Fahrtenbuchauflage in Betracht gezogen werden. Die Fahrtenbuchauflage findet ihre rechtliche Grundlage in § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO. Hiernach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dies ist dann der Fall, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört grds., dass der Halter möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 7.12.2021 – 8 B 1475/21, juris Rn 3 f., m.w.N.).
Das OVG Nordrhein-Westfalen stellt in seinem Beschluss v. 8.8.2022 (8 B 691/22, NJW 2022, 2703 f.) heraus, dass für die Beurteilung, wer i.S.d. Straßenverkehrsrechts Halter eines Fahrzeugs und richtiger Adressat einer Fahrtenbuchauflage sei, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vorzunehmen sei. Der Bußgeldbehörde gereiche es nicht zum Nachteil, wenn sie bei ungeklärten Verhältnissen als eingetragenem Zulassungsinhaber den (alleinigen)...