Amtliche Leitsätze:
- Eine Rechtsanwalts-GbR ist gewerblich tätig, soweit sie einem angestellten Rechtsanwalt die eigenverantwortliche Durchführung von Insolvenzverfahren überträgt.
- Ihre Einkünfte werden dadurch nicht insgesamt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert, wenn die Nettoumsatzerlöse aus dieser auf den Angestellten übertragenen Tätigkeit 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen.
BFH, Urt. v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, ZIP 2015, 486 = DStR 2015, 345 = DB 2015, 353
Bearbeiter: Rechtsanwalt Mark T. Singer, Neuss
I. Problemstellung
Anwaltliche Tätigkeit und Gewerbesteuer – da werden viele Rechtsanwälte sofort abwinken und darauf verweisen, dass sie schließlich einen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausdrücklich benannten sog. Katalogberuf ausüben und schon von daher als freiberuflich Tätige grundsätzlich von der Gewerbesteuer verschont bleiben. Die steuerliche Realität sieht aber bedauerlicherweise oft anders aus und führt dann nicht selten zu (vermeidbaren) kosten- und zeitintensiven Konflikten mit den Finanzbehörden (vgl. zu den Risiken einer steuerlichen Gewerblichkeit für Sozietäten Bernütz/Kreusch/Loll, BRAK-Mitt. 4/2009, 146 ff.). Erfreulicherweise hat sich der BFH jetzt mit vorliegender Grundsatzentscheidung mit der Thematik der (Nicht-)Infizierungswirkung von geringfügiger selbständiger gewerblicher Tätigkeiten bei einer i.Ü. freiberuflichen tätigen (anwaltlichen) Mitunternehmerschaft auseinandergesetzt und dabei nunmehr für die Praxis allgemeingültige, klare und nachvollziehbare Kriterien aufgestellt.
II. Sachverhalt
Im Streitfall setzte die klagende Rechtsanwalts-GbR für Insolvenzverwaltungen (neben anderen Mitarbeitern) auch einen angestellten Rechtsanwalt ein, der in den Jahren 2003 und 2004 in 25 bzw. 38 Fällen zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder Treuhänder in Verbraucherinsolvenzverfahren bestellt wurde. Die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen betrugen für das Jahr 2003 rund 15.358 EUR bei einem Nettoumsatz der GbR i.H.v. 847.721 EUR und im Jahr 2004 rund 21.065 EUR bei einem Nettoumsatz i.H.v. 787.211 EUR. Die GbR deklarierte diese Einnahmen als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 EStG. Demgegenüber war das Finanzamt der Ansicht, dass sämtliche Einkünfte der GbR als gewerblich zu qualifizieren seien, weil für den streitbefangenen Bereich der Insolvenzverwaltung die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht erfüllt wurden, mit der Folge dass diese gewerblichen Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG stets zur steuerlichen Umqualifizierung auch der übrigen Einkünfte führten, solange ihr Anteil nicht "als geringfügig" anzusehen ist. Das FG sah diese Bagatellgrenze im Streitfall aber als nicht überschritten an und hob deshalb mangels gewerblicher Einkünfte die entsprechenden Gewerbesteuermessbescheide auf. Dem stimmte auch der BFH zu.
3 Entscheidungsgründe
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann eine Personengesellschaft nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufes i.S.v. § 18 EStG darstellt, ausüben, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale des freien Berufs erfüllen. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst – trotz ihrer im Ertragsteuerrecht grundsätzlich anerkannten partiellen Steuerrechtsfähigkeit (vgl. BFH, Beschl. v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679) –, sondern nur von deren Gesellschaftern als natürliche Personen erfüllt werden.
Hieran knüpft einleitend auch der BFH im Streitfall an und weist zugleich darauf hin, dass es hierbei grundsätzlich unschädlich ist, wenn die klagendende GbR – durch ihre Gesellschafter – neben der freiberuflichen anwaltlichen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgrund der Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter und Treuhänder zugleich auch eine sonstige selbständige (hier: vermögensverwaltende) Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübe, solange nur die Gesellschafter dabei selbst in diesem Bereich eigenverantwortlich und leitend tätig sind, mithin also insoweit der Tätigkeit den "Stempel der Persönlichkeit" aufdrücken (vgl. dazu grundlegend BFH, Urt. v. 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. II 2011, 506 = Singer ZAP F. 20, S. 527 sowie BFH, Urt. v. 16.7.2014 – VIII R 41/12, BStBl. II 2015, 216 – zum angestellten Arzt).
Hinweis:
Bei der Mithilfe qualifizierten Personals entspricht eine Insolvenzverwaltertätigkeit diesem Erfordernis aber nur dann, wenn sie über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und der dienstlichen Aufsicht hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist und die Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit gewährleistet.
Im Streitfall übte nach den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des FG aber u.a. auch der angestellte Rechtsanwalt, derer sich die GbR als qualifizierten Mitarbeiter bedient hatte und dem kein steuerlicher Mitunternehmerstatus zuerkannt wurde, zumindest teilweise, näml...