Dem BGH (Urt. v. 17.2.2016 – 2 StR 25/15, StRR 6/2016, S. 11 mit zust. Anm. Hillenbrand) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der einschlägig vorbestrafte, erst einige Tage zuvor auf Bewährung aus der Strafhaft entlassene Angeklagte führte am 29.12.2013 in einer verschlossenen Geldkassette im Auto einer Bekannten, die die Wegnahme des Fahrzeugs nicht bemerkt hatte, mindestens 100 g Metamphetamin mit sich. Der Angeklagte fuhr an eine abgelegene Stelle, an der es bereits öfter zu kriminellen Handlungen und auch zu Verstößen gegen das BtMG gekommen war. Als ihn dort zwei Polizeibeamte einer Fahrzeugkontrolle unterziehen wollten, stieg der Angeklagte aus dem Fahrzeug aus und verriegelte es. Dann gelang ihm zu Fuß die Flucht. Anschließend wurde das Fahrzeug von der Polizei zu einer Verwahrstelle abgeschleppt. Dort wurde das Fahrzeug gegen 3.15 Uhr durch Einschlagen einer Seitenscheibe geöffnet und der Rucksack entnommen. Im Rucksack befand sich u.a. der Entlassungsschein der JVA mit den Personalien des Angeklagten. Später wurde, ohne dass zuvor eine richterliche Anordnung eingeholt worden war, auch noch die Geldkassette aufgebrochen und das Metamphetamin aufgefunden. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen unerlaubten Handeltreibens mit BtM in nicht geringer Menge verurteilt. Dabei verwertete es gegen den Widerspruch der Verteidigung die bei der Durchsuchung von Pkw und Geldkassette aufgefundenen Beweismittel. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.
Der BGH (a.a.O.) sieht in § 163b Abs. 1 S. 3 StPO eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Durchsuchung des Fahrzeugs und des Rucksacks, den der Angeklagte darin mitgeführt hatte. Diese Vorschrift gestatte nicht nur die Durchsuchung der Person, sondern auch der mitgeführten Sachen. Dazu zähle für einen von der Maßnahme betroffenen Fahrzeugführer auch das Kraftfahrzeug, die gesetzliche Erlaubnis zur Durchsuchung schließe auch die gewaltsame Öffnung des Durchsuchungsobjekts mit ein. Es habe auch der erforderliche Anfangsverdacht vorgelegen, nachdem der Angeklagte sich durch seine Flucht verdächtig gemacht und zudem die Fahrzeughalterin erklärt hatte, die Wegnahme des Fahrzeugs nicht bemerkt zu haben. Die Polizeibeamten seien deshalb von einer unbefugten Fahrzeugnutzung oder einem Fahrzeugdiebstahl ausgegangen. Die spätere Öffnung und Durchsuchung der Geldkassette habe dagegen nicht mehr der Identitätsfeststellung gedient und sei deshalb nicht von § 163b Abs. 1 S. 3 StPO gedeckt gewesen. Es habe sich um eine Durchsuchung i.S.d. §§ 102, 105 StPO gehandelt, die einer richterlichen Anordnung bedurft hätte.
Der Umstand, dass diese rechtsfehlerhaft nicht eingeholt worden sei, führt jedoch nach Auffassung des BGH (a.a.O.) nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Angeklagten an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften ergebe, dass der Verfahrensfehler die Rechte des Angeklagten bei der Beweisgewinnung nicht erheblich beeinträchtigt habe und das Interesse an der Verwertung der in der Geldkassette gefundenen Sachbeweise überwiege. Dabei falle ins Gewicht, dass es um den schwerwiegenden Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten ging, der einschlägig vorbestraft sei. Nachdem seine Identität durch Auffinden des Entlassungsscheins aus der Justizvollzugsanstalt, aus der er bedingt entlassen worden war, bekannt war, sei auch anzunehmen, dass ein Ermittlungsrichter in dem Fall, dass ein Antrag auf Gestattung der Durchsuchung der Geldkassette gestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hätte. Diese Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung sei im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Schließlich lägen Anhaltspunkte dafür, dass der Richtervorbehalt von den Ermittlungsbeamten bewusst missachtet wurde, nicht vor.
Hinweis:
Das Argument, dass ein Ermittlungsrichter in dem Fall, dass ein Antrag auf Gestattung der Durchsuchung gestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hätte, ist das Hauptargument der Abwägungslehre, das in vergleichbaren Fällen immer wieder bemüht wird (vgl. dazu BGHSt 51, 285 = StRR 2007, 145; BGH StraFo 2011, 506 = StRR 2012, 61). Dieses Argument ist aber im Grunde ein "Scheinargument", da sich mit dieser Überlegung ein Beweisverwertungsverbot immer verneinen lässt.