1. Referentenentwurf zur Reform der StPO
Anfang Juni 2016 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Referentenentwurf zur Reform der StPO vorgelegt (s. ZAP Anwaltsmagazin 13/2016, S. 664). Dieses "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" basiert auf den Empfehlungen der Expertenkommission, die Ende 2015 ihren Bericht abgegeben hatte (vgl. zu dem Bericht Schünemann StraFo 2016, 45; von Galen ZRP 2016, 42; Basar StraFo 2016, 226). Der Referentenentwurf, der auf der Homepage des BMJV eingestellt ist, sieht u.a. folgende Änderungen, die der Entlastung der Gerichte dienen sollen aber auch an der ein oder anderen Stelle die Beschuldigtenrechte ausbauen, vor:
- Der Entwurf sieht für Befangenheitsanträge die Möglichkeit vor, dem Antragsteller unter angemessener Fristsetzung die Begründung in Schriftform aufzugeben (§ 26 Abs. 1 S. 2 StPO-E).
- Bei Befangenheitsanträgen kurz vor Beginn der Hauptverhandlung soll diese vor der Entscheidung bis zur Verlesung des Anklagesatzes weitergeführt werden dürfen (§ 29 Abs. 1 S. 2 StPO-E).
- Die Möglichkeit der audiovisuellen Aufzeichnung von Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren wird in § 58a Abs. 1 i.V.m. §§ 136 Abs. 4, 163a StPO-E erweitert.
- In Zukunft soll die bislang nur in den RiStBV geregelte Pflicht zur Anhörung des Beschuldigten vor der Auswahl eines Sachverständigen in der StPO, hier in § 73 Abs. 3 StPO-E, ausdrücklich geregelt sein.
- Vorgesehen ist ein ausdrückliches Antragsrecht des Beschuldigten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren (§ 141 Abs. 3 S. 4 StPO-E) sowie im Fall richterlicher Vernehmungen (§ 141 Abs. 3 S. 5 StPO-E) eine besondere Regelung für die Pflichtverteidigerbestellung.
- § 148 Abs. 2 StPO-E stellt klar, dass Anbahnungsgespräche zwischen Verteidiger und inhaftiertem Beschuldigten nicht überwacht werden dürfen.
- § 153a Abs. 2 S. 1 StPO-E soll demnächst auch im Revisionsverfahren anwendbar sein.
- Vorgesehen ist die Pflicht von Zeugen, demnächst auf Ladung der Polizei erscheinen zu müssen, wenn ein Auftrag der Staatsanwaltschaft dazu vorliegt (§ 163 Abs. 3 StPO-E).
- Nach § 213 Abs. 2 StPO-E soll in umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren (mehr als drei Hauptverhandlungstage) der äußere Ablauf der Hauptverhandlung vor Terminabstimmung mit den Verfahrensbeteiligten erörtert werden.
- In § 243 Abs. 5 S. 2 StPO-E wird das Recht der Verteidigung auf ein "opening statement" nach Verlesung des Anklagesatzes eingeführt.
- Im Beweisantragsrecht wird die Möglichkeit einer angemessenen "Frist zum Stellen von Beweisanträgen" eingeführt, sobald die von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme abgeschlossen ist. Nach Fristablauf gestellte Beweisanträge können dann erst im Urteil beschieden werden, es sei denn, die Frist wurde ohne Verschulden überschritten (§ 244 Abs. 6 S. 2, 3 StPO-E). Für das Verschulden sollen die Grundsätze zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand heranzuziehen sein.
2. Abschaffung des Richtervorbehalts für die Anordnung von Blutproben?
Ein weiterer Referentenwurf betrifft den "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung" (s. ZAP Anwaltsmagazin 14/2016, S. 721). Er enthält u.a. die lange erwartete Umgestaltung des § 81a Abs. 1 StPO, Stichwort: Richtervorbehalt bei der Blutentnahme. Angefügt werden soll ein Satz 2: "Die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe steht abweichend von Satz 1 der Staatsanwaltschaft, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch ihren Ermittlungspersonen zu, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Tat vorliegen, die der Beschuldigte bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat." Mit dieser Einfügung in § 81a Abs. 2 StPO wird eine Ausnahme vom bisherigen Richtervorbehalt, der für sämtliche körperlichen Untersuchungen des Betroffenen i.S.d. § 81a Abs. 1 StPO gilt, geregelt. Einer richterlichen Anordnung für die Entnahme einer Blutprobe nach § 81a Abs. 1 S. 2 StPO bedarf es danach nicht mehr, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer rechtswidrigen Tat vorliegen, die der Beschuldigte entweder bei dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat und der Untersuchungserfolg durch Verzögerung gefährdet ist. Die Voraussetzungen der drei Varianten des Verkehrsbezugs entsprechen denjenigen, die in § 44 StGB zur Beschreibung des Kreises der Anlassdelikte für die Verhängung eines Fahrverbots derzeit verwendet werden (vgl. statt aller Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 44 Rn 6 ff.), und denjenigen, die in § 69 StGB der Verhängung der Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis zugrunde liegen (Fischer, a.a.O., § 69 Rn 9 ff.). Von der Regelung erfasst werden daher in erster Linie die Straßenverkehrsdelikte nach den §§ 315c, 316 StGB aber auch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort gem. § 142 StGB sowie etwaige im Zusammenhang mit...