1. Streit um Kaffeetassen, Anwaltsroben und Kalender
Ein Brühler Rechtsanwalt (Rechtsanwalt Dr. R.) streitet seit einigen Jahren mit der für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer und versucht permanent, die Grenzen des anwaltlichen Berufsrechts und hier vor allem des Werberechts auszutesten. Besonders prominent war der Streit um die Zulässigkeit von kammerseits untersagter Schockwerbung auf Kaffeetassen. Das gegen die Untersagung gerichtete Klageverfahren sowie die sich daran anschließende Verfassungsbeschwerde hatten keinen Erfolg (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2014 – AnwZ [Brfg] 67/13 m. Anm. Terriuolo ZAP F. 23, S. 1001; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 5.3.2015 – 1 BvR 3362/14). Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienten dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) zu sichern; mit der Stellung eines Rechtsanwalts sei im Interesse des rechtsuchenden Bürgers eine Werbung unvereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stelle und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun habe.
In Fortführung der geschilderten Auseinandersetzung fragte Dr. R. dann bei der Rechtsanwaltskammer an, ob denn die Verwendung der fraglichen Tassen durch die "Dr. R. Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)", deren Geschäftsführer er ist, erfolgen könne. Nachdem die Kammer die Zulässigkeit dieser Art der Werbung unter Hinweis auf das in § 6 Abs. 3 BORA normierte Umgehungsverbot ebenfalls verneint hatte, hat Dr. R. wiederum Klage erhoben. Der Anwaltssenat (Urt. v. 3.7.2017 – AnwZ [Brfg] 45/15) hielt diese – wie schon die Vorinstanz – für unzulässig, weil es sich bei dem Schreiben der Kammer nicht um einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren belehrenden Hinweis (Verwaltungsakt), sondern um eine bloß präventive Auskunft ohne Regelungscharakter handele. Zwar bringe das Schreiben zum Ausdruck, dass die Kammer ein bestimmtes Verhalten des Klägers für berufsrechtswidrig erachte, es werde in ihm allerdings weder in einer Entscheidungsformel festgestellt, dass ein bestimmtes Verhalten rechtswidrig sei, noch werde ein konkretes Verbot oder Unterlassungsgebot ausgesprochen. Zugleich sei eine auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit des beabsichtigten Verhaltens gerichtete (vorbeugende) Feststellungsklage des Rechtsanwalts grundsätzlich nur dann zulässig, wenn ein spezielles, besonders schützenswertes, gerade auf die lnanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse bestehe und die Verweisung des Rechtsanwalts auf den nachträglichen Rechtsschutz für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden sei. Ein solches Feststellungsinteresse fehle vorliegend, weil es dem Kläger etwa zuzumuten gewesen sei, die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft zur Frage einer möglichen anwaltsgerichtlichen Anschuldigung abzuwarten. Dieser Ansatz ist fragwürdig, führt er doch dazu, dass die gerichtliche Überprüfbarkeit von der durch die Rechtsanwaltskammer gewählten Entscheidungsform abhängt und – wenn es an einem belehrenden Hinweis mit Verwaltungsaktqualität fehlt – der betroffene Anwalt, der unsicher über die Berufsrechtskonformität seines Handelns ist, zunächst den Berufsrechtsverstoß begehen und möglicherweise erhebliche Sanktionen in Kauf nehmen muss (vgl. bereits Deckenbrock AnwBl 2015, 365, 370 ff.). Obwohl der Senat die Klage für unzulässig hielt, hat er doch in der Sache die Berufsrechtswidrigkeit auch des neuen Werbemodells von Dr. R. herausgestellt. Sei eine Werbung in eigener Person unzulässig, so könne der Rechtsanwalt dieses Verbot nicht dadurch umgehen, dass er auf Vornahme der Werbung durch eine Gesellschaft hinwirke.
Ein weiterer aktueller Streit dreht sich um die berufsrechtliche Zulässigkeit einer mit Werbung auf dem oberen Rückenbereich bedruckten bzw. bestickten ("Dr. R." und Internetadresse "www.dr-r.de") und im Gerichtssaal getragenen Anwaltsrobe (BGH, Urt. v. 7.11.2016 – AnwZ [Brfg] 47/15, ZAP EN-Nr. 31/2017). Der Anwaltssenat entschied, dass die in § 20 BORA bestimmte Pflicht zum Tragen einer Robe voraussetze, dass die Robe nicht mit werbenden Aufbringungen versehen sei, weil andernfalls ihre Funktion, Aussage und Wirkung gestört würde. In der Literatur ist diese Entscheidung auf ein geteiltes Echo gestoßen (zustimmend etwa Härting NJW 2017, 410; ablehnend Römermann BB 2017, 19). Insgesamt bleibt fragwürdig, ob infolge eines Abdrucks des eigenen Namens auf einer selbst getragenen Robe tatsächlich eine Beeinträchtigung der Rechtspflege zu befürchten ist. Möglicherweise wird das unter dem Az. 1 BvR 54/17 anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren hier mehr Klarheit bringen.
2017 ging schließlich der "Kalenderstreit" in eine neue Runde. Bereits 2013 hatte Rechtsanwalt Dr. R. Kalender mit Bildern nackter oder spärlich bekleideter Frauen und einem Verweis auf seine Kanzlei zu Werbezwecken an Autowerkstätten verteilt. Hierfür wurde er von der Anwaltskammer wegen eines Verstoßes gegen das Gebot sachlich...