1. Fachanwalt werden – wichtige Präzisierungen durch die Rechtsprechung

Fachanwaltschaften erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich der Anwaltssenat häufig mit den Voraussetzungen für die Verleihung eines Fachanwaltstitels befassen muss. Zudem wurden zum 1.7.2017 die Anforderungen für Fachanwälte im Insolvenz- und Vergaberecht leicht geändert (Grundlage war der Beschl. der Satzungsversammlung v. 21.11.2016, vgl. BRAK-Mitt. 2017, 81). Außerdem soll künftig im Rahmen der Fortbildungspflicht nach § 15 FAO bei dozierender Teilnahme die Vorbereitungszeit in angemessenem Umfang zu berücksichtigen sein (vgl. den Beschl. der Satzungsversammlung v. 19.5.2017).

Wer Fachanwalt werden oder bleiben will, sollte die Rechtsentwicklung zu dem von ihm favorisierten Titel daher gut im Auge behalten. So entschied der Anwaltssenat in Präzisierung von § 5 FAO, dass bei Zählung der für die Fachanwaltszulassung erforderlichen Fälle Mandate weder doppelt zählen, nur weil sie sich auf mehrere gerichtliche Instanzen erstrecken, noch allein aus diesem Grund höher zu gewichten sind (BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – AnwZ [Brfg] 3/16). Der Senat hielt es zudem für verfassungsrechtlich unbedenklich, dass die Frage, was überhaupt als Fallbearbeitung anzusehen ist, bei den einzelnen Fachanwaltschaften gravierend unterschiedlich beurteilt wird (BGH, Beschl. v. 26.1.2017 – AnwZ [Brfg] 49/16). Zulässig sei es daher, im Fachgebiet Strafrecht erst bei 40 Hauptverhandlungstagen vor dem Schöffengericht oder einem höheren Gericht innerhalb eines Dreijahreszeitraums von der notwendigen Anzahl von Fallbearbeitungen auszugehen, obwohl die FAO für andere Fachanwaltsbezeichnungen keine oder weniger Gerichtstage voraussetzt.

Des Weiteren entschied der Anwaltssenat – zutreffend –, dass das Einstellen von Beiträgen auf einer eigenen Homepage keine zum Erhalt des Fachanwaltstitels berechtigende wissenschaftliche Publikation i.S.v. § 15 FAO sei, da ein derartiger Beitrag im freien Belieben des Homepageinhabers verändert oder ganz entfernt werden könne und daher weder eine nachhaltige Verfügbarkeit noch eine externe Absicherung des inhaltlichen Niveaus gewährleistet werde (BGH, Urt. v. 20.6.2016 – AnwZ [Brfg] 10/15, zustimmend Huff K&R 2016, 606). Dieselbe Entscheidung zeigt zugleich interessante Möglichkeiten des Pflichtigen auf, eine einmal versäumte Fortbildung nachzuholen (dazu Wacker DStR 2017, 176). Um das verwaltungsrechtliche Verfahren der Fachanwaltszulassung ging es auch in der Entscheidung des Anwaltssenats vom 28.11.2016 (Az. AnwZ [Brfg] 53/15): Nach ihr kann ein Anwärter auf einen Fachanwaltstitel die erforderlichen Fortbildungsnachweise noch im gerichtlichen Verfahren nach Erhalt eines Ablehnungsbescheids nachreichen; diese sollen dann einer eigenständigen gerichtlichen Prüfung zu unterziehen sein.

2. Spezialistenbezeichnungen

Trotz der immer größeren Möglichkeiten, einen Fachanwaltstitel zu erwerben, sind einige Rechtsanwälte weiterhin versucht, ihre Briefbögen mit selbst kreierten Fantasiebezeichnungen anzureichern, die sie als besonders qualifiziert für bestimmte Rechtsbereiche ausweisen sollen. Besonders beliebt scheint insofern die Selbstbezeichnung "Spezialist für ..." zu sein. Insoweit legen die Vorgaben des § 7 BORA, die auf eine Entscheidung des BVerfG zurückgehen (Beschl. v. 28.7.2004 – 1 BvR 159/04), fest, dass Teilbereiche der Berufstätigkeit unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen nur benannt werden dürfen, wenn sowohl den Angaben entsprechende theoretische Kenntnisse und praktische Tätigkeiten nachgewiesen werden als auch die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften oder sonstigen Irreführung ausgeschlossen ist.

Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, sollte nach einer Entscheidung des I. Zivilsenats gleichwohl keine Veranlassung bestehen, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen, selbst wenn beim rechtsuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" gegeben sei (BGH, Urt. v. 24.7.2014 – I ZR 53/13 m. krit. Anm. Deckenbrock BerlAnwBl 2015, 124). Nunmehr hatte der Anwaltssenat über den ungewöhnlichen Fall zu entscheiden, dass sich ein "Fachanwalt für Erbrecht" zusätzlich auch als "Spezialist für Erbrecht" darstellen wollte (Urt. v. 5.12.2016 – AnwZ [Brfg] 31/14, ZAP EN-Nr. 236/2017). Der Senat vertrat die Auffassung, dass insofern keine synonyme Verwendung der beiden Bezeichnungen vorliege. Vielmehr bringe derjenige, der bereits Fachanwalt sei, zum Ausdruck, dass er über Kenntnisse und praktische Erfahrungen verfüge, die diejenigen eines "Nur-Fachanwalts" nicht nur unerheblich überschreiten.

Beide Entscheidungen stehen zueinander in einem nur schwer auflösbaren Spannungsverhältnis (zust. zu der Entscheidung des Anwaltssenats aber Quaas BRAK-Mitt. 2017, 2, 9 f.): Es ist widersprüchlich, gerade für "echte" Fachanwälte höhere Anforderungen an d...

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