1. Anwaltshaftung zugunsten von Vertretungsorganen des Mandanten
Große Anwaltskanzleien sehen sich verstärkt Ermittlungsverfahren und Ansprüchen von Nichtmandanten ausgesetzt. Es bedarf daher klarer Abgrenzungskriterien, inwiefern ein Rechtsberater über die unmittelbare Anwalt-Mandanten-Beziehung hinaus für die Richtigkeit seiner Beratungsleistungen einzustehen hat. Eine Entscheidung des IX. Zivilsenats (Urt. v. 21.7.2016 – IX ZR 252/15) bieet hierfür nunmehr eine wichtige Hilfestellung. Vertretungsbefugte Organwalter des Mandanten könnten, wie der BGH in konsequenter Fortführung seiner bisherigen restriktiven Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2015 – IX ZR 56/15; Urt. v. 18.2.2016 – IX ZR 191/13) zutreffend (näher Deckenbrock EWiR 2016, 663) ausführt, nur in eng begrenzten Fällen eigene Ansprüche gegen den Rechtsberater des Mandanten aufgrund einer pflichtwidrigen anwaltlichen Beratung herleiten. Insbesondere folgten solche Ansprüche regelmäßig nicht aus einer Qualifikation des Anwaltsvertrags als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, da es am hierfür erforderlichen Näheverhältnis fehle. Ein Näheverhältnis bestehe nur, wenn die pflichtwidrige Beratung unmittelbar zu einer Haftung des auf sie fälschlich vertrauenden Vertreters im Innenverhältnis zum Mandanten führen könnte. Dies sei aber nicht der Fall, weil der Vertreter erst hafte, wenn ihm eine eigene Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, er also insbesondere gar nicht auf die Richtigkeit der Beratung hätte vertrauen dürfen. In der Konsequenz wurde die Klage des ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Mappus gegen die Kanzlei, die das Bundesland im Zusammenhang mit dem geplanten Erwerb von EnBW-Aktien beraten hatte, abgewiesen. Nachdem der Aktienkauf sich als verfassungswidrig herausgestellt hatte, weil er ohne vorherige Genehmigung des Landtags von Baden-Württemberg durchgeführt worden war, war gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten ein später eingestelltes staatsanwaltliches Verfahren wegen Untreue eingeleitet worden. Der Ministerpräsident hatte der Kanzlei vorgeworfen, durch eine Falschberatung einen Vermögensschaden (u.a. in Form der Prozesskosten für die Verteidigung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren) erlitten zu haben.
2. Anwaltliche Sorgfaltspflichten
Daneben hat der BGH sich mehrmals mit den haftungsrechtlichen Konsequenzen einer Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beschäftigt. Der VII. Zivilsenat bekräftigte seine Rechtsprechung, dass derjenige, der gerichtliche Fristen bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos eine erhöhte Sorgfalt aufwenden muss, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Dieses Pflichtenprogramm führe aber nicht so weit, dass ein Rechtsanwalt auch in solchen Fällen eine anlasslose Funktionsprüfung seines privaten Faxgeräts durchführen müsse, sofern dieses nur wenige Tage vor dem Fristablauf noch funktioniert hat (vgl. BGH, Beschl. v. 16.11.2016 – VII ZB 35/14). Demgegenüber hatte sich der I. Zivilsenat mit einem defekten Gerichtsfax zu befassen; er stellte klar, dass ein Anwalt, dem es infolge eines Defekts nicht gelingt, die Berufungsbegründung per Telefax zu übermitteln, nicht gehalten ist, eine dem Pressesprecher des Gerichts zugewiesene Telefaxnummer ausfindig zu machen und den Schriftsatz zur Fristwahrung an diese Nummer zu versenden (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2017 – I ZB 43/16). Nach einer Entscheidung des IX. Zivilsenats darf ein Anwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass einem ersten Antrag auf Fristverlängerung stattgegeben wird, sofern er erhebliche Gründe wie Arbeitsüberlastung oder Urlaubsabwesenheit dargelegt hat; er sei nicht verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, ob dem Antrag stattgegeben worden ist (BGH, Beschl. v. 26.1.2017 – IX ZB 34/16, ZAP EN-Nr. 227/2017; näher dazu Klose NJ 2017, 15). Schließlich setzte sich der VI. Zivilsenat mit den Anforderungen an die Berufungsschrift auseinander. Diese müsse zwar durch den Prozessbevollmächtigten unterschrieben sein, auf die Lesbarkeit der Unterschrift komme es jedoch nicht an. Vielmehr sei nur die Abgrenzbarkeit von einer reinen Paraphe oder Abkürzung maßgeblich (BGH, Beschl. v. 29.11.2016 – VI ZB 16/16).