1. Unzulässige Gebührenteilung – Vorfinanzierung von Reparaturkosten
Der Gesetzgeber will vor dem Hintergrund, dass die Anwaltschaft kein Gewerbe ist, in dem Mandate "gekauft" und "verkauft" werden, vermeiden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten. § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO untersagt dem Rechtsanwalt dementsprechend, für die Vermittlung von Aufträgen einen Teil der Gebühren zu zahlen oder sonstige Vorteile zu gewähren. Dass dieses Verbot vielen vermeintlich cleveren neuen Geschäftsideen von Rechtsanwälten entgegensteht, zeigt ein aktuelles Urteil des Anwaltssenats (Urt. v. 20.6.2016 u. Beschl. v. 25.8.2016 – AnwZ [Brfg] 26/14). Danach darf ein Rechtsanwalt Kfz-Werkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmern nicht ihre Kosten in Höhe der geschätzten Haftungsquote verauslagen. Mit dieser Vorgehensweise strebe der Rechtsanwalt gerade unzulässigerweise an, dass die Dienstleister, die den ersten Kontakt mit Verkehrsunfallopfern mit spezifischem Beratungsbedarf haben, seine Kanzlei empfehlen, weshalb jeweils in einem konkreten Fall, in dem die Empfehlung zur Mandatierung des Anwalts führt, ein "sonstiger Vorteil" gewährt werde (i.E., nicht aber in der Begründung zustimmend Huff BRAK-Mitt. 2016, 237).
2. Werbung für kostenlose Erstberatung
In einem weiteren, in jeder Hinsicht begrüßenswerten Urteil zum anwaltlichen Gebührenrecht entschied der Anwaltssenat des BGH jüngst (Urt. v. 3.7.2017 – AnwZ [Brfg] 42/16, ZAP EN-Nr. 517/2017), dass das Angebot einer kostenlosen Erstberatung (im Verkehrsrecht) durch eine Rechtsanwaltskanzlei berufsrechtlich zulässig ist (s. auch ZAP Anwaltsmagazin 16/2017, S. 832). Damit hat der Senat die schon bislang unter den Instanzgerichten und im Schrifttum vorherrschende Ansicht höchstrichterlich abgesichert und Rechtssicherheit geschaffen. Ein Verstoß gegen das Verbot der Gebührenunterschreitung nach § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO sei nicht gegeben, weil das RVG in § 34 Abs. 1 keine bestimmte Gebühr und damit auch keine Mindestgebühr für eine Erstberatung in außergerichtlichen Angelegenheiten vorsehe. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus § 4 Abs. 1 S. 1 u. 2 RVG, wonach eine in außergerichtlichen Angelegenheiten vereinbarte Gebühr in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen muss. Die Norm setze eine gesetzlich vorgeschriebene Vergütung voraus und sei daher nicht auf den Bereich außergerichtlicher Beratung anwendbar. Sie bezwecke gerade nicht, vollständige Gebührenverzichte zugunsten einer allgemeinen Äquivalenzkontrolle außerhalb konkreter gesetzlicher Vergütungsvorgaben auszuschließen.
3. Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen
Nach einer Entscheidung des IX. Senats (Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14) steht endlich fest, dass ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gem. § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 3 BORA zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags gem. § 134 BGB und damit auch zu einem Erlöschen der vertraglichen Erfüllungsansprüche führt. Diese Frage hatte der Senat in mehreren Entscheidungen zuvor immer wieder offengelassen. Es verbleiben jedoch Unsicherheiten. So ist weiterhin unklar, inwiefern die Nichtigkeitsfolge voraussetzt, dass der Berufspflichtverstoß schuldhaft erfolgte, und ob der Berufsträger trotz Nichtigkeit einen bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruch hat (vgl. dazu Deckenbrock AnwBl 2016, 595, 596; ders. AnwBl 2010, 221 sowie LG Karlsruhe, Urt. v. 6.10.2016, dazu unten VIII. 4.). Darüber hinaus gilt es zu klären, inwieweit § 134 BGB auch in Sozietätskonstellationen eingreift. Insoweit ist zu bedenken, dass der Senat seine Entscheidung maßgeblich damit begründet hat, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht dispositiv ist. Während dies für den Einzelanwalt, der in seiner Person auf beiden Seiten kollidierende Interessen vertritt, ausnahmslos gilt, können die betroffenen Parteien unter Beachtung der Voraussetzungen grundsätzlich gem. § 3 Abs. 2 S. 2 BORA darin einwilligen, dass zwei personenverschiedene Rechtsanwälte der gleichen Sozietät widerstreitende Interessen vertreten (vgl. dazu Deckenbrock AnwBl 2016, 595, 596).
4. Interessenkollision nach Kanzleiwechsel: Keine Nachforschungspflicht
Eine Entscheidung des LG Karlsruhe (Urt. v. 6.10.2016 – 10 O 219/16 m. Anm. Deckenbrock BRAK-Mitt. 2017, 35) offenbart, vor welchen tatsächlichen Schwierigkeiten Berufsausübungsgemeinschaften bei conflict checks stehen können. Eine Rechtsanwältin hatte ein Mandat übernommen, obwohl ihre frühere Sozietät – ohne ihre Kenntnis und ohne dass sich dies aus den Akten ergab oder sonst offengelegt war – den Gegner in derselben Rechtssache beraten hatte. Zu Recht verzichtet das LG hier darauf, die Hürden für eine sorgfältige Konfliktprüfung zu hoch zu setzen und von dem Sozietätswechsler ohne Anlass zu verlangen, Nachforschungen anzustellen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 43a Abs. 4 BRAO müsse zur Verneinung eines Tätigkeitsverbots führen, wenn den Rechtsanwalt kein Verschulden treffe und keine Interessenkollision und kein Nachteil für den Mandanten im konkreten Einzelfall entstanden sei. Möglich erscheint es in diesen Fällen zwar, zulasten der den Anwalt abgebend...