1. Visionen
Um ein Leitbild erstellen zu können, muss das Kanzlei-Team eine Vorstellung/eine Vision davon haben, was die Kanzlei langfristig ausmachen wird, wie das Miteinander im Team gestaltet werden soll, welche Werte das tägliche Handeln bestimmen, was das Team zur Arbeit motiviert, welche gemeinsamen Ziele verfolgt werden, was die Kanzlei für die Mandanten besonders macht usw. Wer Visionen hat, weiß, warum und wofür er etwas tut. Visionen bestimmen das tägliche Handeln – daran wird der Kanzleialltag ausgerichtet. Fehlt die Vision, ist das Ziel der Arbeit unklar.
Daher ist das Herausfinden und Benennen der Kanzlei-Visionen wichtig! Sie müssen transparent für Mitarbeiter und Mandanten sein. Nur so können sie in strategisches Handeln umgewandelt werden. Das betrifft alle – hierarchieübergreifend –, so dass alle Kanzleimitglieder an diesem Prozess beteiligt und die Erfahrungen aller Mitarbeiter genutzt werden sollten (zur Erarbeitungsmethode solcher Visionen s. unten V.).
2. Bausteine
Aus den Visionen entstehen die Inhalte der Bausteine eines jeden Leitbildes: Leitmotto, Leitmotiv und Leitsätze.
a) Leitmotto
Das Leitmotto beschreibt die Kanzlei kurz und prägnant anhand eines Satzes. Dieser gleicht einem Werbeslogan und spiegelt den Grundgedanken des Leitbildes wider.
Beispiel:
Der Mensch ist unser Mittelpunkt!
b) Leitmotiv
Das Leitmotiv ist eine Art Vorwort und bringt anhand einiger Stichworte auf den Punkt, warum die Kanzlei existiert. Häufig finden sich hier die Gründungsideen wieder, die den Nutzen der Kanzlei für die Mandanten und die Gesellschaft formulieren.
Beispiele:
- Der Einzelne ist für uns wichtig!
- Unsere Arbeit macht das Leben lebenswerter!
c) Leitsätze
Leitsätze sind Regeln, die aus den gemeinsamen Visionen der Kanzlei abgeleitet werden. Es sollte sich dabei um leicht verständliche und kurze Aussagen handeln. Zudem sollten sie umsetzbar sein. Für den internen Kanzleigebrauch können auch zusätzliche Erläuterungen formuliert werden.
Die Leitsätze sind für alle Kanzleimitglieder verbindlich. Damit sie im Alltag auch zur Anwendung kommen, müssen
- daraus konkrete Handlungsanweisungen abgeleitet und verschriftlicht werden,
- sich alle – über alle Hierarchieebenen hinweg – dazu verpflichten, die Regeln als verbindlich anzusehen,
- Sanktionen auf Regelverstöße folgen, die ebenfalls gemeinsam festgelegt werden,
- Verantwortliche bestimmt werden, die prüfen, ob sich alle im Sinne des Leitbildes verhalten,
- sich alle darüber klar sein, dass ein Leitbild stets weiterentwickelt werden muss, wenn geänderte Bedingungen eine Anpassung erforderlich machen, z.B. wenn ein neuer Partner in die Kanzlei kommt oder sich die Ziele bzw. Visionen ändern: Leitbilder sind lebendig (s. unten IV. 4.)!
Beispiele:
- Wir bieten Mandanten und Mitarbeitern mehr als sie erwarten.
- Jeder Mitarbeiter wird individuell gefördert, wir führen insbesondere regelmäßig Soft Skill-Schulungen durch.
- Bei uns wird nicht mehr gearbeitet als vertraglich vereinbart.
Die folgende Grafik fasst die Zusammenhänge zwischen Visionen, Leitmotiv, Leitmotto und Leitsätzen noch einmal zusammen. Die gemeinsamen Visionen aller Kanzleimitglieder zeigen auf, welcher Zielzustand zusammen angestrebt wird. Geprägt sind die Visionen durch gemeinsame Werte. Leitmotto und -motiv bringen den Grundgedanken und den Nutzen der Kanzlei für die Gesellschaft auf den Punkt. In den Leitsätzen ist formuliert, wie die Vision erreicht werden kann, sie geben die Mission an und sind gleichzeitig Regeln für den Umgang miteinander und gegenüber Dritten. Unter den einzelnen Bausteinen bestehen wechselseitige Beziehungen. Die Visionen prägen so die Leitsätze, umgekehrt führen Leitsätze aber auch dazu, dass die Vision zur Realität wird.
Praxisbeispiel:
Eine Kanzlei möchte die hanseatische Lebenshaltung leben. So findet sich im Leitmotto das Wort "Hanseatisch!" wieder. Im Leitmotiv wird formuliert: "Auf unsere Zusagen können Sie vertrauen!" Daraus entstehen Leitsätze, wie: "Gegebene Zusagen halten wir ein." Für alle Mitarbeiter gilt, dass ein Handschlag oder eine mündliche Zusage genauso verbindlich sind wie ein schriftlicher Vertrag. Dies gilt kanzleiintern sowie -extern.
3. Formulierungshinweise
Folgende Hinweise helfen bei der Formulierung des Leitbildes:
- Nehmen Sie ausschließlich authentische Aussagen auf (beschreiben Sie nur etwas, was auch tatsächlich vorhanden ist).
- Formulieren Sie kurze und eindeutige Sätze.
- Treffen Sie zukunftsweisende Aussagen.
- Wählen Sie die direkte Ansprache.
- Formulieren Sie für alle verständlich (Mitarbeiter und Mandanten).
- Verwenden Sie bildhafte Sprache.
4. Dynamisches Leitbild
Ein Leitbild kann niemals statisch sein. Ändern sich bestimmte Faktoren, so muss das Leitbild daran angepasst werden. Beispielsweise kann die Kanzlei expandieren, ein neuer Wettbewerber hinzukommen, die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs oder der Erwerb eines neuen Fachanwaltstitels anstehen. Auf solche Veränderungen muss die Kanzlei reagieren und sich strategisch neu ausrichten oder thematische Schwerpunkte neu formulieren.
Beispiel:
Wird ein weiterer Partner in die Kanzlei aufgenommen o...