Die Entscheidung über das Absehen vom Fahrverbot ist in erster Linie eine Entscheidung aufgrund tatrichterlicher Würdigung, was allerdings häufig übersehen wird. Das bedeutet (vgl. auch Burhoff/Deutscher, OWi, Rn 1420 ff.): Dem Tatrichter ist eine gewisse Entscheidungsfreiheit bei der Beurteilung eingeräumt, die im Rahmen der Rechtsbeschwerde nur eingeschränkt auf das Fehlen von Ermessensfehlern überprüft werden kann (allg. Ansicht, vgl. nur OLG Köln NZV 1994, 161; OLG Hamm NZV 1996, 118, 119; DAR 1996, 68 = zfs 1996, 35; VRS 92, 40). Das Rechtsbeschwerdegericht hat die Entscheidung des Tatrichters "bis zur Grenze des Vertretbaren" hinzunehmen (OLG Bamberg NJW 2008, 3155; OLG Hamm NZV 2008, 308; OLG Oldenburg zfs 2002, 359). Es ist unerheblich, ob eine andere Entscheidung – ebenfalls – vertretbar gewesen wäre (OLG Hamm VRS 92, 40).
Für seine Entscheidung muss der Tatrichter aber – durch das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbare – tatsächliche Feststellungen treffen, wobei ihm die vereinfachte Möglichkeit der Beweisaufnahme nach § 77a OWiG zur Verfügung steht. Seine Begründung muss sich auf Tatsachen stützen, unsubstantiierte bloße Behauptungen des Betroffenen reichen nicht aus (vgl. u.a. BGHSt 38, 231; KG SVR 2015, 353; OLG Bamberg DAR 2009, 39 = VRR 2009, 33; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.7.2015 – 1 RBs 200/14; OLG Hamm DAR 2012, 477 = VRR 2012, 308, jeweils m.w.N.; OLG Karlsruhe VA 2016, 49; OLG Zweibrücken zfs 2016, 294). Und das gilt sowohl zugunsten wie zu Lasten des Betroffenen. Erforderlich ist auf jeden Fall eine auf Tatsachen gestützte eingehende Begründung (OLG Hamm VRS 92, 367 und VRS 102, 385). Beruft sich der Betroffene auf einen drohenden Existenz- oder Arbeitsplatzverlust, muss der Tatrichter im Urteil seine Erwägungen hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben des Betroffenen darlegen (OLG Rostock VRS 101, 380; OLG Celle VRS 102, 310; OLG Hamm DAR 1996, 325). Er darf sie nicht einfach ungeprüft übernehmen (OLG Rostock NZV 2002, 381). Auch eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers muss kritisch hinterfragt werden. Deshalb wird es sich empfehlen, von vornherein den Arbeitgeber als Zeuge zu benennen (OLG Köln VRS 113, 441 = VRR 2008, 156; s. auch noch OLG Bamberg DAR 2011, 403 [Verdacht der Gefälligkeitsbescheinigung]).
Hinweis:
Der Tatrichter muss in den Urteilsgründen zu erkennen geben, dass er sich der Möglichkeit des Absehens von der Anordnung des Fahrverbots bewusst war und hierfür keine Anhaltspunkte ersichtlich waren. An dieser Anforderung an die Urteilsgründe wird von der h.M. in der Rechtsprechung festgehalten (vgl. dazu nur OLG Hamm NJW 2004, 172; DAR 2002, 276; NZV 2000, 264, jeweils m.w.N.; OLG Düsseldorf DAR 2000, 416). Wird ein längeres als ein einmonatiges (Regel-)Fahrverbot verhängt, muss den Urteilsgründen zu entnehmen sein, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit bewusst war, auch ein kürzeres Fahrverbot verhängen zu können (OLG Zweibrücken DAR 2003, 531).