Der Vermieter muss mit der Betriebskostenabrechnung umlagefähige Betriebskosten auf die unterschiedlichen Mieter verteilen. Die Parteien können dabei die unterschiedlichsten Verteilungsschlüssel vereinbaren. Dazu zählt auch die Verteilung nach dem Verhältnis der Wohnflächen. Dieser Maßstab gilt nach § 556a BGB auch, wenn die Parteien nichts vereinbart haben. So einfach das klingt, so schwierig ist dies häufig in der Praxis. Häufig werden in Mietverträgen Flächen angegeben, die aber in den seltensten Fällen auch richtig sind. Für das Gewährleistungsrecht hat der BGH bekanntlich seine 10 %-Rechtsprechung entwickelt, wonach erst bei einer Flächenabweichung von mehr als 10 % ein Mangel vorliegt. In der Folgezeit hatte der VIII. Senat diese Rechtsprechung auch auf das Mieterhöhungsverfahren und das Betriebskostenrecht übertragen (BGH WuM 2007, 700 = GE 2007, 1686 = NJW 2008, 142 = NZM 2008, 35 = ZMR 2008, 38 = DWW 2008, 17 = MietPrax-AK § 556 BGB Nr. 26 m. Anm. Eisenschmid; Schmid ZMR 2008, 42; ders. WuM 2008, 9; ders. GuT 2008, 19; Drasdo NJW-Spezial 2008, 33; Junker MietRB 2008, 33/34/35, Rave GE 2008, 36; dies. ZMR 2008, 517; Hinz WuM 2008, 633; Börstinghaus, LMK II. HJ, 60; Ludley ZMR 2009, 427; Schmid ZMR 2009, 746; Langenberg NJW 2008, 1269, 1273; Lützenkirchen ZMR 2009, 895). Auch dort sollten die – falschen – vereinbarten Flächen maßgeblich sein, wenn die Abweichung maximal 10 % betrug. Das war natürlich falsch, da es hier anders als bei der Gewährleistung nicht um eine Bewertung geht, wann eine Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegt, sondern um eine Berechnung. Nach entsprechend harscher Kritik hat der BGH im November 2015 seine Rechtsprechung zur Mieterhöhung dann auch aufgegeben. Seither sind im Mieterhöhungsverfahren nur noch die tatsächlichen Flächen maßgeblich.
Es war daher wohl nur eine Frage der Zeit, bis der BGH die Gelegenheit bekam, auch seine alte falsche Rechtsprechung zur Betriebskostenabrechnung zu berichtigen. Das hat der Senat nun auch getan (BGH ZAP EN-Nr. 358/2018 = WuM 2018, 425 = MietPrax-AK § 556a BGB Nr. 14 m. Anm. Eisenschmid; Börstinghaus LMK 2018, 406662; Sommer MietRB 2018, 193; Wall jurisPR-MietR 14/2018 Anm. 2). Ohne größere dogmatische Argumentation stellt er kurz fest, dass auch im Betriebskostenrecht eine nach den subjektiven Vorstellungen geprägte Parteivereinbarung zur Wohnfläche unerheblich sei. Eher thesenartig heißt es dann, dass "eine in der gebotenen Gesamtschau angemessene und nach allen Seiten hin interessengerechte Verteilung von Betriebskosten [erfordert], dass [die Betriebskosten] nach einem objektiven Abrechnungsmaßstab umgelegt werden, der gleichermaßen für alle zur Wirtschaftseinheit zählenden Nutzer gilt". Wahrscheinlich war das so selbstverständlich, dass man das gar nicht länger begründen wollte.
Praxishinweis:
Für die Praxis wirft die Entscheidung eine Fülle von Problemen auf. Der Entscheidung ist nicht zu entnehmen, wie die vom Senat verlangte vermeintlich "richtige tatsächliche Fläche" zu ermitteln ist. Es gibt im preisfreien Wohnungsbau immer noch keine – und für das Betriebskostenrecht erst recht nicht – zwingenden Berechnungsvorschriften. Soweit im ersten nicht abgestimmten Entwurf eines Mietrechtsanpassungsgesetzes vom 4.6.2018 noch der Vorschlag einer Regelung in § 554 BGB-E enthalten war, ist dieser Vorschlag im endgültigen Referentenentwurf vom 11.7.2018 nach Widerspruch des größeren Koalitionspartners wieder entfallen. Der BGH (NZM 2009, 477 = NJW 2009, 2295 = MietPrax-AK § 536 BGB Nr. 23 m. Anm. Eisenschmid; dazu Wassermann jurisPR-BGHZivilR 12/2009 Anm. 3; Eupen GE 2009, 744; Lammel jurisPR-MietR 14/2009 Anm. 1; Lehmann-Richter MietRB 2009, 221) hatte in der Vergangenheit ein Drei-Stufen-Konzept entwickelt:
- Maßgeblich sind zunächst ausdrückliche oder konkludente Vereinbarungen der Vertragsparteien über das anzuwendende Regelwerk.
- Wenn hierzu keine Feststellungen getroffen werden können, ist eine eventuelle Ortssitte maßgeblich.
- Erst wenn auch diese nicht ermittelt werden kann, ist auch im preisfreien Wohnungsbau die Fläche nach den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Vorschriften für den preisgebundenen Wohnungsbau zu ermitteln.
Grundsätzlich kann man damit die Fläche für eine Wohnung rechtssicher ermitteln. Nur ist das u.U. kein einheitlicher Maßstab für das ganze Haus. Die Anwendung des Konzepts kann zu unterschiedlichen Berechnungsregeln für einzelne Wohnungen führen. Mal wurde der Balkon mit 50 %, mal mit 25 % angerechnet, mal wurde ein Putzabzug von 2 % gemacht und mal auch nicht.