Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens (hierzu ausführlich Burhoff, Effektiveres und praxistauglicheres Strafverfahren – Teil 1: Ermittlungsverfahren, ZAP F. 22, S. 889 ff. und Teil 2: Hauptverhandlung, ZAP F. 22, S. 907 ff.) hat hinsichtlich der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren eine wesentliche Neuerung gebracht:
So hängt die Pflichtverteidigerbestellung jetzt nicht mehr von einem Antrag der Staatsanwaltschaft gem. § 141 Abs. 3 S. 2 StPO ab, sondern kann in Verfahren, in denen eine richterliche Vernehmung durchzuführen ist, bereits dann vorgenommen werden, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint. Zuständig für die Beiordnung ist das Gericht, bei dem die Vernehmung durchzuführen ist.
Erfasst werden nach zutreffender Ansicht hierdurch nicht nur richterliche Zeugen- und Sachverständigenvernehmungen, sondern auch alle Beschuldigtenvernehmungen. Dies betrifft auch die Fälle, in denen ein Beschuldigter nach vorläufiger Festnahme oder nach seinem Ergreifen aufgrund eines Haftbefehls im Rahmen einer Vorführung vor dem Haftrichter zu vernehmen ist (AG Stuttgart StraFo 2018, 114; LG Halle/Saale, Beschl. v. 26.3.2018, 10a Qs 33/18; Burhoff ZAP F. 22, S. 895 f.; Schlothauer StV 2017, 557, der hier den Hauptanwendungsbereich der Neuregelung sieht).
Hinweis:
Die Bestellung nach § 141 Abs. 3 S. 4 StPO gilt nur für den Zeitraum der Vernehmung und erlischt mit ihrem Ende (Burhoff ZAP F. 22, S. 896). Wird also im Rahmen der Vorführung ein Haftbefehl erlassen oder ein bestehender Haftbefehl in Vollzug gesetzt, bedarf es einer unverzüglichen weiteren Verteidigerbestellung im Hinblick auf die nunmehr einsetzende Vollstreckung der Untersuchungshaft. Dies ergibt sich aus § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO (zuvor Nr. 5, inhaltlich ist die Vorschrift unverändert geblieben), der überflüssig wäre, würde sich die Beiordnung automatisch auch auf das weitere Verfahren erstrecken.
Hierbei kann, muss aber nicht, derselbe Verteidiger bestellt werden, der während der vorangegangenen Vernehmung des Beschuldigten die Verteidigung geführt hat. Insbesondere in Konstellationen, in denen der Wunschverteidiger bei der Haftrichtervorführung nicht anwesend sein kann, etwa wegen eines Termins in anderer Sache oder am Wochenende, kommt die Bestellung unterschiedlicher Verteidiger in Betracht.
Außerhalb von Beschuldigtenvernehmungen wird eine Verteidigerbestellung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten insbesondere in Betracht zu ziehen sein, wenn ein Zeuge vernommen wird, bei dem die Möglichkeit besteht, dass er in der Hauptverhandlung nicht mehr zur Verfügung steht (Singelstein/Derin NJW 2017, 2646). Zu denken ist hierbei vor allem an die Vernehmung von Angehörigen, die im weiteren Verlauf des Verfahrens von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch machen könnten.