Benennt der Beschuldigte/Angeklagte einen Rechtsanwalt, von dem er vertreten werden will, so ist dieser zum Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern kein wichtiger Grund entgegensteht, § 142 Abs. 1 S. 2 StPO. Ein solch wichtiger Grund ist nur ausnahmsweise anzunehmen; der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es, die Wünsche des Mandanten soweit wie möglich zu berücksichtigen (Burhoff, EV, Rn 2772, 8. Aufl. Rn 2789, m.w.N.).
Hinweis:
Einen ausdrücklichen Rechtsanspruch auf die Beiordnung des gewünschten Verteidigers hat der Angeklagte aber nach wie vor nicht (BVerfG NStZ 2006, 460).
Ein der Beiordnung entgegenstehender wichtiger Grund kann dann gegeben sein, wenn ein Interessenkonflikt vorliegt (BGH NStZ 2016, 115). Tritt ein solcher Konflikt erst nach der Beiordnung zutage, ist – nach Anhörung des Angeklagten – deren Rücknahme zu prüfen (BGH a.a.O.).
Hinweis:
Nach einer neueren Entscheidung des OLG Bremen (Beschl. v. 2.3.2018 – 1 Ws 12/18, NStZ-RR 2018, 188) kann eine Verteidigerbestellung schon abgelehnt werden, wenn ein Interessenkonflikt absehbar ist. Die Ablehnung könne bereits vertretbar sein, wenn die Gefahr einer Interessenkollision aktuell noch nicht übermäßig groß erscheine, indes aber unbedingt vermieden werden soll, dass sie später doch virulent wird. Die sei bei der Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch Rechtsanwälte derselben Sozietät grundsätzlich schon dann der Fall, wenn eine Anklage wegen einer gemeinsamen Tat vorliege, sofern sich nicht im Einzelfall aus dem Einlassungsverhalten der Beschuldigten etwas anderes ergebe. Konkreter Hinweise auf das Bestehen dieses Konflikts bedürfe es dann nicht. Die Abberufung eines bereits bestellten Verteidigers hingegen soll nur bei Vorliegen konkreterer Hinweise auf einen tatsächlichen Interessenkonflikt erfolgen (OLG Bremen a.a.O.).
Dem Wunsch des Angeklagten nach Beiordnung seines Wunschverteidigers kann im Einzelfall auch das Beschleunigungsgebot entgegenstehen. Ist der Verteidiger aufgrund anderweitiger Verpflichtungen daran gehindert, in angemessener Zeit Hauptverhandlungstermine wahrzunehmen, kann dem Beschleunigungsgebot der Vorrang gebühren, zumal dieses nicht zur Disposition des Angeklagten steht (OLG Stuttgart NStZ 2016, 436). Der Hinweis des Angeklagten, er sei notfalls mit einem späteren Beginn der Hauptverhandlung einverstanden, vermag ihm daher den gewünschten Anwalt nicht zu verschaffen.
Fehlt es dagegen an einer besonderen Eilbedürftigkeit, kann einer Terminierung auf einen späteren Zeitpunkt gegenüber einer Entpflichtung der Vorrang gebühren (LG Lüneburg StV 2016, 490; zum Spannungsfeld zwischen dem Beschleunigungsgebot einerseits und der Verfügbarkeit des Wunschverteidigers andererseits s. auch Hillenbrand ZAP F. 22, S. 921, 925).
Dagegen kann die Beiordnung nicht allein deshalb verweigert werden, weil der benannte Rechtsanwalt nicht im Gerichtsbezirk ansässig ist. Die frühere Beschränkung, wonach "möglichst" auf im Bezirk ansässige Rechtsanwälte zurückzugreifen war, hat der Gesetzgeber bereits vor Jahren gestrichen. Auf eine (erhebliche) Ortsferne des Verteidigers kann daher allenfalls noch abgestellt werden, wenn hierdurch eine sachgerechte Verteidigung gefährdet erscheint (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.8.2016 – 1 Ws 198/16).