1. Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, Heilung oder Genehmigung nicht möglich
Nach § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung i.S.d. § 174 S. 1 BGB ist – unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht – die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus (BAG, Urt. v. 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, Rn 37, AP Nr. 20 zu § 174 BGB; BAG, Urt. v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, Rn 33, NZA 2007, 377 = BAGE 119, 311).
2. Sinn und Zweck von § 174 BGB
§ 174 BGB dient dazu, bei einseitigen Rechtsgeschäften klare Verhältnisse zu schaffen. Der Erklärungsempfänger ist zur Zurückweisung der Kündigung berechtigt, wenn er keine Gewissheit darüber hat, dass der Erklärende tatsächlich bevollmächtigt ist und sich der Arbeitgeber dessen Erklärung deshalb zurechnen lassen muss (BAG, Urt. v. 25.9.2014- 2 AZR 567/13, Rn 19, NZA 2015, 159; BAG, Urt. v. 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, Rn 23, BAGE 137, 347; BAG, Urt. v. 29.10.1992 – 2 AZR 460/92, NZA 1993, 307). Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob damit das Recht zur Kündigung verbunden ist oder üblicherweise verbunden zu sein pflegt. Er soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ob eine bestimmte Person bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen (BAG, Urt. v. 25.9.2014- 2 AZR 567/13, a.a.O.; BAG, Urt. v. 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, a.a.O.; BAG, Urt. v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, Rn 46, 52, a.a.O.).
3. Vollmachtsurkunde (original) oder In-Kenntnis-Setzen
Gewissheit können eine Vollmachtsurkunde oder ein In-Kenntnis-Setzen schaffen. Das In-Kenntnis-Setzen nach § 174 S. 2 BGB muss ein gleichwertiger Ersatz für die Vorlage einer Vollmachtsurkunde sein (BAG, Urt. v. 25.9.2014- 2 AZR 567/13, a.a.O.; BAG, Urt. v. 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, a.a.O.; BAG; Urt. v. 20.8.1997 – 2 AZR 518/96, NZA 1997, 1343). Gemäß § 174 S. 2 BGB liegt ein In-Kenntnis-Setzen auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter – z.B. durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung – in eine Stelle berufen hat, mit der üblicherweise ein Kündigungsrecht verbunden ist. Dabei reicht die interne Übertragung einer solchen Funktion nicht aus. Erforderlich ist, dass sie auch nach außen im Betrieb ersichtlich ist oder eine sonstige Bekanntmachung erfolgt. Der Erklärungsempfänger muss davon in Kenntnis gesetzt werden, dass der Erklärende die Stellung tatsächlich innehat. Eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 S. 2 BGB scheidet auch dann aus, wenn der kündigende Personalleiter zugleich (Gesamt-)Prokurist ist und die im Handelsregister publizierte Prokura sein – alleiniges – Handeln nicht deckt. Es genügt, dass der Kündigungsempfänger aufgrund der – ihm bekannten – Stellung des Kündigenden als Personalleiter von einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zum alleinigen Ausspruch von Kündigungen ausgehen muss. Ob der Personalleiter zugleich eine ausreichende Vertretungsmacht als (Gesamt-)Prokurist besitzt, ist grds. ohne Belang. Aus dem Umstand, dass ein Personalleiter das Kündigungsschreiben mit dem Zusatz "ppa" unterzeichnete, folgt nichts anderes. Nach § 51 HGB hat ein Prokurist in der Weise zu zeichnen, dass er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatz beifügt. Der Zusatz soll klarstellen, dass der Erklärende als Prokurist für den Inhaber handelt. Der Gesamtprokurist zeichnet selbst dann mit dem gewöhnlichen Prokurazusatz, wenn er allein mit interner Zustimmung des anderen Gesamtprokuristen handelt. Der Personalleiter kann deshalb auch bei einem Handeln als Gesamtprokurist eine alleinige Vertretungsbefugnis zum Ausspruch von Kündigungen aufgrund interner Bevollmächtigung in Anspruch nehmen (BAG, Urt. v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, a.a.O.).
4. Unverzügliche Zurückweisung nach § 174 BGB
Die Zurückweisung eines einseitigen Rechtsgeschäfts nach mehr als einer Woche ist auch, wenn man dem Zurückweisenden einer angemessene Überlegungsfrist und die Möglichkeit, Rechtsrat einzuholen, zubilligt, nach herrschender Ansicht nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 174 BGB, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen (vgl.BAG, Urt. v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, Rn 33 m.w.N., NZA 2012, 495; OLG Hamm, Urt. v. 26.10.1990 – 20 U 71/90, NJW 1991, 1185; LG Köln, Urt. v. 30.10.2015 – 7 O 112/15). Das OLG Hamm hat in seinem vorbenannten Urteil bereits einen Zeitraum von sechs Tagen nicht mehr als unverzüglich angesehen. Außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls, die einen längeren Zeitraum noch als unverzüglich erscheinen lassen könnten, müssen substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen werden.
Praxistipp:
Zu beachten ist, dass die Rüge des § 174 BGB keinerlei Nachforschungen oder schwierige Abwägungsprozesse und auch keine nennenswerte juristische Prüfung erfordert, da sie rein formal und routinemäßig allein an das Fehlen einer Original-Vollmachtsurkunde anknüpft (vgl. BAG, Urt. v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, a.a.O.; LG Köln, Urt. v...