I. Fehler, Strategie und Taktik
Der Begriff des Fehlers bezeichnet eine irrtümliche Entscheidung oder Maßnahme. Als Strategie wird ein genauer Plan des eigenen Vorgehens bezeichnet, der dazu dient, ein Ziel zu erreichen, und in dem man alle Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht. Unter Taktik versteht der Sprachgebrauch ein aufgrund von Überlegungen im Hinblick auf Zweckmäßigkeit und Erfolg festgelegtes Vorgehen (vgl. Duden).
Das Erkennen und Vermeiden von Fehlerquellen sowie die richtige Strategie und eine gute Taktik entscheiden sowohl auf Seiten des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg im Kündigungsschutzprozess. Der nachfolgende Beitrag will unter Berücksichtigung der aktuellen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung Denkansätze und Hinweise sowohl zu häufig auftretenden Fehlerquellen als auch zur Strategie und Taktik im Kündigungsschutzprozess geben.
II. Risiken der Kündigung und Streitpotenzial
Jede Kündigung – sowohl in der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) als auch im Kleinbetrieb (§ 23 KSchG) – stellt ein Risiko dar und birgt erhebliches arbeitsrechtliches Streitpotenzial.
Nicht nur Formvorschriften, auch Probleme der Vertretung und Bevollmächtigung, Kündigungsfristen und Sonderkündigungsschutz (vgl. etwa Klein, NJW 2017, 852 "Zum Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer nach dem Bundesteilhabegesetz" sowie Bayreuther, NZA 2017, 1145 "Das neue Mutterschutzrecht im Überblick"), beschäftigen den Arbeitgeber immer wieder aufs Neue. Die Realisierung und der sichere Nachweis des Zugangs lassen ihn vielfach in der arbeitsrechtlichen Praxis scheitern und der ordnungsgemäßen, fehlerfreien Anhörung des Betriebsrats wird von ihm oft auch nicht die nötige Sorgfalt geschenkt. Hinzutreten komplexe Rechtsszenarien, wie etwa bei der außerordentlichen Verdachtskündigung, die Arbeitgeber trotz der klaren Vorgaben des BAG (vgl. vertiefend zuletzt Aszmons, SPA 2019, 45) schnell an die Grenzen des in der Unternehmenswirklichkeit Machbaren führen. Die Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB erweist sich in Kombination mit der erforderlichen Anhörung des Arbeitnehmers ebenso wie die Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) und das Verfahren der Massenentlassung (§§ 17, 18 KSchG) als ernst zu nehmender Stolperstein.
Auf Seiten des Arbeitnehmers hingegen wollen die prozessualen/formellen und materiell-rechtlichen Fehler des Arbeitgebers erkannt und taktisch bestmöglich im eigenen Interesse genutzt werden. Eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 Abs. 1 BGB hat unverzüglich zu erfolgen und die Klagefrist von drei Wochen gilt seit dem 1.1.2004 nicht nur für alle Kündigungsschutzklagen. Auch alle anderen, außerhalb des KSchG geregelten Unwirksamkeitsgründe, wie etwa die Nichtanhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG oder die Sittenwidrigkeit einer Kündigung, müssen seit dem 1.1.2004 innerhalb von drei Wochen seit Zugang der Kündigung gerichtlich geltend gemacht werden. Weitere Themen für den Arbeitnehmer sind u.a. der Umgang mit einer (unberechtigten) Freistellung, seine (temporäre) Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzprozess (vgl. hierzu Maaß, Juris AnwZert ArbR 13/2018, Anm. 1 und dies., Juris AnwZert ArbR 12/2018, Anm. 2) und die (taktische) Geltendmachung und Durchsetzung von Annahmeverzugsansprüchen, insbesondere im Bereich der variablen Vergütung (vgl. Meyer, Kündigung im Arbeitsrecht, 2. Aufl., Vorwort).
III. § 4 KSchG, Drei-Wochen-Klagefrist
Im Kündigungsschutzmandat ist sorgsame Eile geboten. Will ein Arbeitnehmer erfolgreich geltend machen, eine schriftliche Kündigung (§ 623 BGB) sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 S. 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung Klage auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist (vgl. weiterführend Holthausen, AnwBl 2006, 688 [690]). Wegen § 13 Abs. 1 S. 2 KSchG gilt diese Frist auch für die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung (BAG, Urt. v. 18.12.2014 – 2 AZR 163/14, NZA 2015, 635; BAG, Urt. v. 26.9.2013 – 2 AZR 682/12, NZA 2014, 443; BAG, Urt. v. 26.3.2009 – 2 AZR 403/07, NZA 2009, 1146). Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt sie gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage muss als unbegründet abgewiesen werden (BAG, Urt. v. 18.12.2014 – 2 AZR 163/14, a.a.O.; BAG, Urt. v. 26.9.2013 – 2 AZR 682/12, a.a.O.).
Praxistipps:
Die gebotene Eile bei der Erhebung der Kündigungsschutzklage entbindet den Anwalt mit Blick auf seine Haftung nicht von einer sorgfältigen Prüfung von Angaben des Mandanten bzgl. sog. Rechtstatsachen. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur Anwaltshaftung (vgl. BGH 14.2.2019 – IX ZR 181/17, NJW 2019, 1151) darf der Rechtsanwalt Angaben seines Mandanten, die den Zugang einer Kündigung betreffen, nicht kritiklos seinem weiteren Vorgehen zugrunde legen. Vielmehr muss er sich selbst unter Heranziehung der maßgeblichen rechtlichen Grundsätze Klarheit darüber verschaff...