Bei der gerichtlichen Zuweisung der Ehewohnung zur alleinigen Nutzung durch einen der Ehegatten ist der Zeitpunkt der Antragstellung von Bedeutung. Leben die Ehegatten voneinander getrennt oder will einer von ihnen getrennt leben, so kann gem. § 1361b BGB ein Ehegatte die Zuweisung begehren, wenn sie notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Wenn anlässlich der Scheidung über die Nutzung der Ehewohnung keine Einigung erzielt wird, kann nach § 1568a BGB die Wohnung dem Ehegatten zugewiesen werden, der auf die Nutzung in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte.
a) Verhältnis zum dinglichen Herausgabeanspruch
Beide Zuweisungsvorschriften verdrängen nach allgemeiner Meinung (im Anschluss an BGH FamRZ 2017, 21) den Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe der Wohnung nach § 985 BGB. Nach Rechtskraft der Scheidung ist der auf § 985 BGB gestützte Antrag unzulässig. Vorrangig ist der Anspruch des § 1568a BGB, es sei denn der Charakter der Ehewohnung ist bereits beendet oder der Anspruch ist wegen Zeitablaufs erloschen.
b) Begriff der Ehewohnung
Der Begriff der Ehewohnung ist nach allgemeiner Meinung weit auszulegen (OLG Brandenburg FamRZ 2020, 406 m. Anm. Kogel). Er umfasst alle Räume, die die Ehepartner zum gemeinsamen Wohnen benutzt haben oder die als gemeinsame Wohnung bestimmt waren, unabhängig von dem der Nutzung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Zur Ehewohnung gehören auch der Garten und die Nebenräume, sofern diese nicht ausschließlich beruflich oder gewerblich genutzt wurden; ebenfalls ein als Gäste- und Saunahaus genutztes Gartenhaus.
Bei der Zuweisung der Wohnung anlässlich der Scheidung hängt die Qualifizierung nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben. Die Eigenschaft der Ehewohnung entfällt nach Auffassung des OLG Brandenburg erst mit endgültiger Aufgabe oder Auseinandersetzung der Ehegatten und nicht notwendig mit Rechtskraft der Ehescheidung.
c) Zuweisung bei Trennung/Verbotene Eigenmacht und Kindeswohl
In einem Eilverfahren über die Zuweisung der bisherigen Ehewohnung nach § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB hat das KG (FamRZ 2020, 851) der Wahrung des Kindeswohls den Vorrang gegenüber dem Besitzschutz eingeräumt. Die Tatsache, dass sich der die Kinder betreuende Ehegatte den Alleinbesitz an der Wohnung durch verbotene Eigenmacht (Schlossauswechslung) verschafft hat, ist bei der gebotenen Prüfung des Kindeswohls i.R.d. Zuweisungsvorschrift nicht entscheidungsrelevant, sodass der possessorische Besitzschutz nach § 861 BGB hinter der Zuweisung zurücktritt. Das ergibt sich sowohl aus der Unterlassungsverpflichtung des § 1361b Abs. 3 BGB als auch aus dem Verbot, etwas zu verlangen, das sofort wieder herauszugeben wäre (§ 242 BGB). Wenn der Schutz des Kindeswohls die vollständige Überlassung der Wohnung an den einen Ehegatten gebietet, kommt eine gegenläufige Besitzeinräumung an den anderen Ehegatten nicht mehr in Betracht, denn er müsste diesen Besitz unmittelbar nach seiner Erlangung wieder aufgeben.
d) Zuweisung anlässlich der Scheidung
- Erlöschen des Anspruchs nach Rechtskraft der Scheidung
Streitig ist die Frage, ob auf den Überlassungsanspruch des § 1568a Abs. 1 BGB die Jahresfrist des § 1568a Abs. 6 BGB analog anzuwenden ist. Absatz 6 der Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Eintritt in’ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung in den Fällen der Absatz 3 (Eintritt in das bestehende Mietverhältnis oder seine Alleinfortsetzung) und 5 (kein bestehendes Mietverhältnis) ein Jahr nach Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache erlischt. Das OLG Brandenburg (FamRZ 2020, 406; so auch OLG Frankfurt FamRZ 2020, 414 m. Anm. Gottwald = NJW 2020, 245) ist der Auffassung, dass der Anwendbarkeit des § 1568a BGB nicht entgegenstehe, dass das auf Nutzungszuweisung gerichtete Verfahren nicht binnen der Jahresfrist rechtshängig gemacht wurde. Für eine Analogie fehle es an der Vergleichbarkeit. Es liege auch keine planwidrige Regelungslücke vor.
Das OLG Karlsruhe (FamRZ 2020, 410 m. Anm. Kogel = FamRB 2020, 173 m. Hinw. Neumann; so auch OLG Hamm FamRZ 2017, 703 und OLG Bamberg FamRZ 2017, 703) begründet seine entgegenstehende Auffassung damit, dass vor dem Hintergrund des gelösten ehelichen Bandes eine zeitliche Begrenzung der Überlassungsansprüche gerechtfertigt und eine analoge Anwendung der zeitlichen Begrenzung angezeigt sei. Anliegen des Gesetzgebers sei es, zur Achtung der dinglichen Rechtslage dauerhafte Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen zu begrenzen.
Das OLG Hamburg (FamRZ 2020, 670) hat das Problem der Zuweisung einer Genossenschaftswohnung nach § 1568a BGB an einen der Ehegatten erörtert, der nicht Mitglied der Genossenschaft ist. Es konstatiert: Die fehlende Mitgliedschaft hindert für sich genommen noch nicht die Zuweisung. Zwar bildet sie für die Genossenschaft gem. § 563 Abs. 4 BGB einen wichtigen Kündigungsgrund. Die Genossenschaft kann sich auf die Kündigung aus wichtigem Grund jedoch nach Treu und Glauben nur berufen, wenn sie dem Nichtmitglied zuvor eine Mitgliedschaft zu den üblichen Konditionen angeboten hat und das Mitglied nicht bereit oder nicht in der Lage war, in die Genossenschaft einzutreten.