I. Vorbemerkung
Energiewende und Klimaschutz drängen zu neuen Mobilitätskonzepten und Antriebssystemen. Die E-Mobilität bekleidet dabei einen hohen Rang. Die vorliegende Betrachtung richtet ihren Fokus auf die Planung und Realisierung von Ladeinfrastruktur auf privaten Grundstücken – vermietete Mehrfamilienhäuser, Wohnungseigentumsanlagen und Gewerbegrundstücke.
Ob und unter welchen Voraussetzungen den Bewohnern von Mehrfamilienhäusern Ansprüche auf Versorgung durch Ladesäulen zustehen, klärt seit dem 1.12.2020 das Mietrecht und das Wohnungseigentumsrecht sowie das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG vom 16.10.2020, BGBl I 2020 S. 2187; s. dazu auch Horst, ZAP F. 7, S. 577 ff.).
II. E-Mobilität
Kernbestandteil der WEG-Reform ist u.a. die Einführung neuer Möglichkeiten zu baulichen Veränderungen in Vermietungslagen (dazu Mediger, Neue Regeln für bauliche Veränderungen im RefE WEModG oder: „weniger ist mehr”, NZM 2020, 269 ff; Hinz, Reform des Wohnungseigentumsrechts – Teil 2, ZMR 2020, 374 ff.). Betroffen sind sowohl vermietetes Sondereigentum in einer WEG-Anlage (Wohnung oder geschäftlich/gewerblich genutzte Räume) als auch reine Mietverhältnisse ohne Bezug zum Wohnungseigentumsgesetz. Betrachten wollen wir zunächst die zuletzt aufgerufene Kategorie.
1. Duldungsanspruch des Mieters
§ 554 BGB räumt dem Mieter gegen den Vermieter einen Duldungsanspruch im Hinblick auf bauliche Veränderungen ein, die u.a. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Erfasst sind sowohl die Ersteinrichtung als auch die Verbesserung bestehender Ausstattungen (BT-Drucks 19/18791, S. 87, vorl. Abs.) z.B. durch Kapazitätserhöhungen oder durch intelligente Steuerungen mit Lastmanagementsystemen. Daraus folgt kein „gesetzliches Umbaurecht”, sondern ein Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis, die jedoch vor Ausführung der Baumaßnahmen vorliegen muss (BT-Drucks 19/18791, S. 87, 2. Abs.). Eigenmächtigkeiten des Mieters begründen also eine Verletzung des Mietvertrags (BT-Drucks 19/18791, S. 87, 2. Abs.) mit den üblichen Sanktionsfolgen.
Beispiel:
M lässt eine Ladesäule durch einen Fachbetrieb ohne vorherige Information des V installieren. Wegen des Umfangs des baulichen Eingriffs in die gesamte Stromversorgung des Hauses kündigt V fristlos, hilfsweise einschließlich einer damit verbundenen Abmahnung fristgerecht. M, durchdrungen von der Notwendigkeit eines aktiven Klimaschutzes, versteht die Welt nicht mehr, beruft sich auf die staatlich gewollte Erstattung der E-Mobilität, und weigert sich, auszuziehen. V klagt auf Räumung. Muss M gehen?
Durch sein eigenmächtiges Handeln verletzt M den Mietvertrag. Weil er bereits Tatsachen geschaffen hat, würde eine nachmalige Abmahnung mit Kündigungsandrohung in der Sache nichts mehr nutzen. Der Pflichtverletzung kann also nur durch einen Anspruch auf Rückbau (Beseitigung der eingetretenen und Unterlassung einer zukünftigen weiteren Störung) oder durch eine Kündigung begegnet werden. Eine Rangfolge zwischen beiden Sanktionsmöglichkeiten ist nicht anzunehmen, der Vermieter hat die Wahl des Sanktionsmittels. Er muss sich nicht auf eine Unterlassungsklage als milderes Mittel verweisen lassen. Zu beantworten bleibt, ob aufgrund des Umfangs und der Schwere des Eingriffs eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Dagegen spricht der Einsatz eines Fachunternehmens, dafür der eigenmächtig vorgenommene „tiefe” Eingriff in die Bausubstanz. Bedenkt man aber, dass dem Mieter – einzelfallabhängig – gegen den Vermieter ein Erlaubnisanspruch zustehen kann, so dürfte die Beantwortung davon abhängig sein, ob einem erhobenen Anspruch hätte Folge geleistet werden müssen oder nicht; fristlose Kündigung also dann, wenn der Erlaubnisanspruch nicht besteht, andernfalls fristgemäße Kündigung.
Nach dem Votum des Gesetzgebers müsste die Räumungsklage scheitern, wenn dem Mieter der vorgenommene Eingriff schon aufgrund der bisherigen Vertragslage gestattet war (BT-Drucks 19/18791, S. 87, 2. Abs.).
Beispiel:
M hat von V eine Wohnung mit Kfz-Stellplatz gemietet. Nicht auf dem Stellplatz, sondern im Hof des Grundstücks möchte er eine Wallbox zum Laden seines Autos installieren. V verweigert die Erlaubnis, M klagt auf Duldung. Entscheidung des Gerichts?
Das Gericht wird die Klage abweisen. Denn der Duldungsanspruch aus § 554 Abs. 1 S. 1 BGB setzt ein Gebrauchsrecht des Mieters an der in Anspruch genommenen Fläche voraus (BT-Drucks 19/18791, S. 87, 3. Abs.). Hätte er eine solche Box auf dem mitvermieteten Kfz Stellplatz installieren wollen, hätte ein solches Gebrauchsrecht bestanden, nicht aber hinsichtlich des Hofs, der nicht mit vermietet ist. V hat sich deshalb zu Recht geweigert (Beispiel, entnommen aus BT-Drucks 19/18791, S. 87, 3. Abs.).
Über die bloße Erlaubnis hinaus umfasst der Duldungsanspruch auch notwendige Mitwirkungshandlungen des Vermieters, wie z.B. die zur Planung von Baumaßnahmen notwendigen Inf...