a) Erhöhung des Selbstbehalts
In den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte sind bestimmte Beträge für den notwendigen Eigenbedarf (Selbstbehalt) des Unterhaltspflichtigen ausgewiesen, sowie ein darin enthaltener Betrag für Unterkunft, einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete). Hierzu wird bestimmt, dass der Selbstbehalt erhöht werden soll, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) den ausgewiesenen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind.
Hinweis:
In der Düsseldorfer Tabelle – Stand 1.1.2021 – beträgt der Selbstbehaltsbetrag eines erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern 1.160 EUR und die hierin enthaltene Warmmiete bis zu 430 EUR (s. Düsseldorfer Tabelle 2021, ZAP F. 11, S. 1589 ff.).
Der BGH hat in der o.a. Entscheidung (I.4.a) klargestellt, dass i.R.d. Bemessung des Selbstbehalts des Kindesunterhaltspflichtigen die von ihm getragenen Wohnkosten nur anteilig zu berücksichtigen sind. Die Wohnkosten fallen nicht nur für ihn an, sondern decken auch den Wohnbedarf von Ehefrau und Kindern. Im Übrigen ist er gehalten, seine Wohnkosten zu senken, wenn die Voraussetzungen für die Beantragung von Wohngeld gegeben sind.
b) Gesteigerte Unterhaltspflicht
Im Fall einer Unterhaltsplicht für minderjährige Kinder verlangt die Vorschrift des § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Der Unterhaltspflichtige hat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszunutzen und seine Arbeitskraft bis zur Grenze der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit einzusetzen, um ein Einkommen zu erzielen, dass die Zahlung des Mindestbedarfs ermöglicht. Verletzt er diese Verpflichtung, so kann ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werden. Für eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit obliegt dem Unterhaltspflichtigen die Darlegungs- und Beweislast
Prüfungsanforderungen
Das BVerfG (FamRZ 2021, 274 m. Anm. Siede) weist darauf hin, dass die Fachgerichte bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nichts Unmögliches verlangen dürfen, sondern sie im Einzelfall zu prüfen haben. ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen oder ob dieser dessen finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt. Die Prüfung der Leistungsfähigkeit verlangt zunächst die Feststellung, ob subjektive Erwerbsbemühungen des Unterhaltspflichtigen fehlen; ferner müssen die zur Erfüllung der Unterhaltsplicht erforderlichen Einkünfte objektiv erzielbar sein. Bei Annahme fiktiver Einkünfte ist die Entscheidungsgrundlage überprüfbar offenzulegen. Entsprechende Anforderungen gelten wegen des erhöhten Eingriffsgewichts in das Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheut bei Annahme fiktiver Einkünfte für die Beurteilung, ob der Unterhaltspflichtige seiner Darlegungs- und Beweislast zur Einschränkung oder Aufhebung der Leistungsfähigkeit nachgekommen ist.
Sozialleistungen aufgrund eines erlittenen Körperschadens
Werden für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens Sozialleistungen in Anspruch genommen, wird bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruchs gem. § 1610a BGB vermutet, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Die Vermutung, dass vom Sozialhilfeträger lediglich solche Leistungen erbracht werden, die den behinderungsbedingen Mehrbedarf decken, gilt nach einer Entscheidung des OLG Stuttgart (FamRZ 2021, 934) auch bei gesteigerter Unterhaltspflicht. Die Vermutung wird nicht dadurch erschüttert, dass der Betroffene nicht im Einzelnen darlegen kann, für welche Zwecke er das Pflegegeld konkret einsetzt.
Einsatz von Vermögenswerten
Reichen die erzielbaren Einkünfte des barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht aus, um den Mindestunterhalt seiner minderjährigen Kinder zu decken, ist er grds. verpflichtet, vorhandenes Vermögen einzusetzen, soweit die zu beachtende Opfergrenze nicht überschritten wird (vgl. BGH FamRZ 1989, 170). Ein Überschreiten der Opfergrenze hat das OLG Stuttgart (FamRZ 2021, 934) für die Trennungszeit der Ehegatten in einem Fall angenommen, in dem es sich um das hälftige Eigentum des Ehemannes an einer Immobilie handelte, in dem die Ehefrau mit den gemeinsamen Kindern wohnte.
c) Ersatzhaftung der Großeltern
Nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB tritt die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist, der ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt erbringen könnte. Der barunterhaltspflichtige Elternteil ist in solchem Falle nur mit dem, seinen angemessenen Selbstbehalt übersteigenden, Betrag zur Leistung verpflichtet.
- Das OLG Karlsruhe (FamRB 2021, 272 m. Hinw. Bömelburg) stellt klar, dass auch der betreuende Elternteil ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter ist, wenn ohne seine Beteiligung an der Barunterhaltsplicht ein erheblicher finanzielles Ungleichgeweicht zwischen den Eltern entstünde. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 2013, 1558) ist die Grenze für das Entfallen der Barunterhaltsplicht desjenigen Elternteils, der das wesentlic...