1. Bedarfsbemessung
Der Unterhaltsbedarf richtet sich beim Verwandtenunterhalt gem. § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Das minderjährige Kind leitet seine Lebensstellung von seinen Eltern ab. Die für die Höhe des Unterhalts maßgebliche Lebensstellung der Eltern wird in der Praxis vorzugsweise nach dem verfügbaren Einkommen des Barunterhaltspflichtigen bestimmt, woran sich auch die Düsseldorfer Tabelle orientiert.
a) Wohnungsvorteil des Unterhaltspflichtigen
Das maßgebliche Einkommen wird nicht nur durch die Erwerbseinkünfte, sondern in gleicher Weise durch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen bestimmt.
Dazu können auch die Gebrauchsvorteile eines Eigenheims zählen. Der BGH (FamRZ 2021, 186 m. Anm. Seiler = FuR 2021, 91 m. Bearb. Soyka = NJW 2021, 697) hat klargestellt, dass im Rahmen der Bemessung des Unterhalts für ein minderjähriges Kind, ungeachtet etwaiger Unterhaltsansprüche Dritter, grds. der gesamte Wohnwert einer vom Unterhaltspflichtigen bewohnten Immobilie zuzurechnen ist, wenn sie in seinem Alleineigentum steht. Durch die Nutzung entfällt die Notwendigkeit einer Mietzahlung, die in der Regel einen Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ausmacht. Der Ansatz der objektiven Marktmiete entspricht der sich aus § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB ergebenden besonderen Verpflichtung gegenüber einem minderjährigen Kind.
Hinweis:
Unterhaltsansprüche Dritter bleiben bei der Unterhaltsbemessung wegen ihrer Nachrangigkeit unberücksichtigt.
b) Nutzungszuschuss für einen Dienstwagen
Erstmalig hat sich der BGH in der o.a. Entscheidung (FamRZ 2021, 186) mit der Frage befasst, wie ein vom Arbeitgeber gewährter Zuschuss eines vom Arbeitnehmer selbst anzuschaffenden Pkw (sog. Car Allowance) unterhaltsrechtlich zu beurteilen ist. Es gilt zu klären, inwieweit der grds. unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Zuschuss für dienstliche Zwecke aufgebraucht wird. Die zulässige Bemessung nach § 287 ZPO ist Sache des Tatrichters. Hierbei liegt auch der Ansatz einer zusätzlichen geringeren Kilometer-Pauschale von 0,20 EUR im tatrichterlichen Ermessen. Der BGH hat auch nicht beanstandet, dass von den Einkünften die Kosten für das Auto in Form der Leasingrate, der Kraftfahrzeugversicherung und -steuer sowie der Kilometerpauschale abgezogen worden sind. Gerügt wurde, dass insoweit die vollen Kosten berücksichtigt wurden, obwohl der Arbeitnehmer das Fahrzeug auch privat nutzen durfte.
2. Betreuungsunterhalts nach dem Tod eines Elternteils
Nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB erfüllt der Elternteil eines minderjährigen unverheirateten Kindes, bei dem dieses lebt, seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Die Vorschrift stellt klar, dass diese Betreuungsleistungen und die Barleistungen des anderen Elternteils grds. gleichwertig sind.
Der BGH weist in der o.a. Entscheidung (FamRZ 2021, 186) darauf hin, dass die Vorschrift auch der Tatsache Rechnung trägt, dass eine auf den Einzelfall abstellende rechnerische Bewertung des Betreuungsaufwandes unzulänglich bliebe. Auch handelt es sich beim Unterhaltsrecht anders als beim Schadensersatzrecht um ein Massenphänomen, bei dem eine Pauschalierung dringend erforderlich ist und die Praktikabilität erleichtert.
Beide Elternteile haften für den Kindeunterhalt (§§ 1601, 1610 BGB). Die Übernahme der Betreuung des Kindes durch einen Elternteil führt gem. § 1606 Abs. 3 BGB lediglich zu einer Entlastung des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Daher bleibt es nach dem Tod eines Elternteils grds. bei der alleinigen Haftung des überlebenden Elternteils für den Bar- und den Betreuungsunterhalt.
Ist das Kind bei einem Dritten untergebracht, so ist nach diesen Grundsätzen der neben dem Barunterhalt zu leistende Betreuungsunterhalt grds. pauschal i.H.d. Barunterhalts zu bemessen. Der BGH führt aus, dass auch in den Fällen der Fremdunterbringung Ausnahmen von der Gleichwertigkeit des Bar- und Betreuungsunterhalts denkbar sind, etwa wenn ein besonders hoher Betreuungsbedarf besteht oder wenn der Betreuungsbedarf im Einzelfall durch die Höhe der Betreuungskosten konkret feststeht. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der sich darauf beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt grds. auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige aus der höchsten Einkommensgruppe und der dritten Altersstufe (12 bis 17 Jahre) Unterhalt schuldet.
3. Mehrbedarf, Sonderbedarf und Bedarfsdeckung
a) Mehrbedarf durch Nachhilfeunterricht
Mehrbedarf unterscheidet sich vom Sonderbedarf dadurch, dass es sich um eine ständige Erhöhung der allgemeinen Lebenskosten handelt. Privater Nachhilfeunterricht begründet nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt (FamRZ 2021, 191) dann einen Mehrbedarf des Kindes, wenn für die kostenauslösende Inanspruchnahme eines privaten Lehrinstitutes im Vergleich zu den schulischen Förderungsangeboten so gewichtige Gründe vorliegen, dass es gerechtfertigt erscheint, die dadurch verursachten Mehrkosten zu Lasten des nichtbetreuenden Elternteils als angemessene Kosten der Ausbildung i.S.v. § 1610 Abs. 2 BGB anzuerkennen.
b) Sonderbedarf wegen kieferorthopädischer Behandlung
Bei dem aus einer kieferorthopädischen Behandlung des Kindes resultierenden Zusatzbedarf handelt es sich um Sonderbedarf i.S.d. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB, also um einen unregelmäßigen, vorh...