Anfang August ist die sog. Große BRAO-Reform in Kraft getreten. Mit ihr werden die freien Berufe jetzt sozietätsfähig und für die Anwaltschaft sind nun alle Gesellschaftsformen eröffnet. Die reformierte BRAO ändert die Perspektive: Sie hat nicht mehr primär den einzelnen Berufsträger oder die Berufsträgerin im Blick, sondern geht von der Berufsausübungsgesellschaft als zentraler Organisationsform aus.
Diese bekommt ein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach (sog. Gesellschaftspostfach), das die elektronische Signatur für zugehörige Anwältinnen und Anwälte überflüssig machen kann (s. dazu auch unten S. 818). Die Berufsausübungsgesellschaft muss zudem eine Pflichtversicherung abschließen. Damit unterliegen die Berufsausübungsgesellschaften und die Mitglieder ihrer Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane künftig auch den anwaltlichen Berufspflichten. Die Anwaltskammern können sie rügen und die Anwaltsgerichte Maßnahmen gegen sie verhängen, wenn eine Leitungsperson schuldhaft gegen Berufspflichten verstößt.
Wenn sie nicht bereits zugelassen sind, benötigen Berufsausübungsgesellschaften eine Zulassung von der Anwaltskammer, die Übergangsfrist hierfür läuft bis zum 1.11.2022. Keine Zulassung brauchen – auch wenn sie diese beantragen können – nur Gesellschaften, die nicht haftungsbeschränkt sind und in denen Gesellschafter und Geschäftsführer ausschließlich Anwältinnen und Anwälte oder sozietätsfähige Berufe sind.
Solche Berufe, die sich künftig mit Anwältinnen und Anwälten in Sozietäten zusammenschließen können, sind fast alle freien Berufe. Eine Rechtsanwaltsgesellschaft liegt nur vor, wenn unter den Gesellschaftern und Geschäftsführern die Anwältinnen und Anwälte die Mehrheit stellen. In bloßen Sozietäten dürfen sich letztere sogar mit praktisch allen anderen Berufen – außer Maklern o.Ä. – zusammentun. Zudem dürfen sie jetzt sämtliche deutschen Rechtsformen nutzen, auch die GmbH & Co. KG steht ihnen offen. Während Fremdkapitalbeteiligungen weiterhin nicht erlaubt sind, werden jetzt auch sog. mehrstöckige Gesellschaften möglich.
Auf der Pflichtenebene wurden durch die Reform die Tätigkeitsverbote bei Interessenkollisionen ausgeweitet; § 43a Abs. 4-6 BRAO gilt für die Berufsausübungsgesellschaft, bei angestellten Anwältinnen und Anwälten sowie auch schon bei Referendaren und Referendarinnen und freien Mitarbeitern.
Neue Kolleginnen und Kollegen, d.h. Anwältinnen und Anwälte, die seit dem 1. August dieses Jahres zugelassen werden, müssen innerhalb des ersten Jahres nach ihrer Zulassung an einer Fortbildung von mind. zehn Zeitstunden im anwaltlichen Berufsrecht teilnehmen, es zählen auch in den sieben Jahren vor der Zulassung absolvierte Veranstaltungen. Anwälte und Anwältinnen, die ihre Zulassung bereits haben, sind von dieser neuen Fortbildungspflicht im anwaltlichen Berufsrecht nicht betroffen.
[Quelle: BRAK]