Die beklagte Nachbarin hatte gegen den geltend gemachten Anspruch auf Duldung der grenzüberbauenden Wärmedämmung u.a. die Verfassungswidrigkeit der Anspruchsgrundlage geltend gemacht. So "ganz vom Gegenteil", also von der Verfassungsmäßigkeit der Norm in materieller Hinsicht, ist der BGH wohl auch nicht überzeugt. Gleichwohl hat der BGH kein Normenkontrollverfahren zum BVerfG angestrengt, das Verfahren also nicht gem. Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG ausgesetzt und die Rechtsfrage zur Verfassungsmäßigkeit der Anspruchsgrundlage dort nicht zur Entscheidung vorgelegt.
Denn dies hätte die richterliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit vorausgesetzt (vgl. ebenso zuletzt: BVerfG, Kammerbeschl. v. 4.5.2022 – 2 BvL 1/22, juris Rn 25). Denkbare Zweifel seien dafür nicht ausreichend. In seinen Betrachtungen zur Verhältnismäßigkeit der Norm gibt der BGH einmütig mit einer entsprechenden Gewichtung auch durch das BVerfG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18, BVerfGE 157, 30-177, ZAP EN-Nr. 334/2021) dem aus Art. 20a GG mit Verfassungsrang abgeleiteten Klimaschutzgebot das höhere Gewicht gegenüber der Eigentümerposition des duldungspflichtigen Nachbarn aus Art. 14 GG.
Gleichwohl sei "bedenklich, dass individuelle Interessen des Nachbarn selbst dann keine Berücksichtigung finden, wenn im Einzelfall die Annahme einer Unzumutbarkeit der Duldungsverpflichtung naheläge" (s. BGH PM Nr. 101/2022). Vergleichbare Duldungsverpflichtungen in Nachbarrechtsgesetzen anderer Bundesländer gingen durch zusätzliche Voraussetzungen auf diesen Aspekt ein, nicht jedoch das hier zu beurteilende NachbarG Bln. Denn ergänzende Tatbestandsvoraussetzungen, die auch die Rechtsposition des duldungspflichtigen Nachbarn mit in den Blick nehmen, wie z.B.
- dass der Überbau die Benutzung oder beabsichtigte Benutzung des Grundstücks des Nachbarn nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt oder
- dass eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise, wie z.B. durch eine Innendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann
seien nach dem Willen des Berliner Landesgesetzgebers nicht vorgesehen, um den Klimaschutz voranzubringen und nicht durch lange Streitereien zu überfrachten. "Dem Tatrichter (sei) eine Einzelfallbetrachtung selbst besonders gelagerter Ausnahmefälle (deshalb nach dem Berliner Landesrecht) verwehrt" (s. BGH PM Nr. 101/2022). "In der Gesamtschau erscheint es dem Senat durchaus möglich, dass § 16a NachbarG Bln insgesamt noch als verhältnismäßig anzusehen ist." (s. BGH, a.a.O., Rn 42).
Der BGH hat damit bereits zum wiederholten Mal eine Positionierung zur Verfassungsmäßigkeit von § 16a NachbarG Bln unterlassen (so bereits im BGH, Urt. v. 2.6.2017 – V ZR 196/16).