Unabhängig von Bundes- oder Landesrecht ist der Überbau nur gegen Geldrente zu dulden, selbst im Falle der sehr weitgehenden Regelung in § 16a NachbarG Bln (vgl. §§ 16a Abs. 5 NachbarG Bln, 912 Abs. 2 BGB). Unklarheiten bestehen bisweilen bei der Berechnung der Rentenhöhe auf der Basis von § 912 Abs. 2 BGB.
Dies hat der BGH auch in der vorliegenden Entscheidung festgestellt (s. BGH, a.a.O., Rn 41): "Nach § 16a Abs. 5 NachbarG BIn findet § 912 Abs. 2 BGB entsprechende Anwendung. Gemäß Satz 1 dieser Norm ist der Nachbar durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist nach Satz 2 die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend".
Die Berechnung der Rentenhöhe soll der folgende Fall (BGH, Urt. v. 12.10.2018 – V ZR 81/18, ZAP EN-Nr. 82/2019) veranschaulichen:
1. Sachverhalt
Zwei Nachbarn angrenzender Grundstücke errichten jeweils auf ihrem Grundstück größere Gebäude. Die Bodenplatte zum Gebäude des N überschreitet auf einer Länge von 48,5 m die Grenze zum Grundstück des E um 30 cm. Das entspricht einer überbauten Fläche von 14,55 m². E verlangt von N Überbaurente. Einigkeit über die Rentenhöhe kann nicht erzielt werden. E erhebt gegen N Zahlungsklage.
2. Beurteilung
Der BGH erkennt in letzter Instanz eine Geldrente i.H.v. 673,08 EUR jährlich aus § 912 Abs. 2 S. 1 BGB zu. Weil es sich um einen zwar unrechtmäßigen, aber entschuldigten Überbau handle, hätte E den Überbau nach §§ 1004 Abs. 2, 912 Abs. 1 BGB zu dulden. Ob dadurch die Nutzung des Grundstücks im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung beeinträchtigt sei, bleibe ohne Belang. Denn § 912 Abs. 1 BGB knüpfe allein an eine bestehende Duldungspflicht an und löse den Rentenanspruch aus. Ein darüber hinausgehender Nachteil sei nicht erforderlich. Im Übrigen stehe die Annahme einer notwendigen weiteren Nutzungsbeeinträchtigung in Widerspruch zu Konzept und Zweck der Vorschrift. Der Anspruch auf Geldrente solle den mit der Duldungspflicht verbundenen Eigentumseingriff ausgleichen.
Deshalb sei die Höhe der Überbaurente auch nicht nach Art und Ausmaß einer tatsächlichen Nutzungsbeschränkung des überbauten Grundstücksteils festzulegen, sondern auf der Grundlage des Grundstücksverkehrswerts zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung zu berechnen (vgl. auch §§ 912 Abs. 2 S. 2, 915 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Grundstücksverkehrswert der überbauten Bodenfläche sei nach der Wertermittlungsverordnung zu ermitteln (hier 900 EUR pro Quadratmeter). Aus dieser Bemessungsgrundlage sei die Rente als angemessene Verzinsung (hier 5,14 % als Liegenschaftszins) zu berechnen (BGH, a.a.O., m.w.N. zur Rechtsprechung).
Mit diesen Ansätzen und Werten ergibt sich folgende Rechnung:
900 EUR/m² x 14,55 m² x 5,14 % = 673,083 EUR Geldrente jährlich
Das Berufungsgericht wollte dagegen einen Abschlag von zwei Dritteln (ausgeurteilte Rente i.H.v. 224,36 EUR) vornehmen mit der Begründung, der bei Einreichung der Zahlungsklage bestehende Überbau in Form zweier Untergeschosse und der Bodenplatte sei nur unterhalb der Erdoberfläche erfolgt und beeinträchtige die Nutzung des Nachbargrundstücks derzeit nicht.
Hinweis:
Bezogen auf das hier besprochene Urteil ist dem duldungspflichtigen Nachbarn zu raten, im Falle einer darstellbaren Beeinträchtigung durch den Überbau nur Zug um Zug gegen Vereinbarung einer Geldrente zu reagieren.
Von Dr. Hans Reinold Horst, Rechtsanwalt und Syndikusrechtsanwalt, Hannover/Solingen
ZAP F. 7, S. 835–838