a) Mangelnde Leistungsfähigkeit des vorrangig Unterhaltspflichtigen
In einer Entscheidung zur Ersatzhaftung der Großeltern hinsichtlich des Unterhalts minderjähriger Kinder bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit der Eltern hat der BGH (FamRZ 2022, 180 m. Anm. Schürmann; MDR 2022, 105; FamRB 2022, 51 m. Hinw. Schürmann; NJW 2022, 331 m. Anm. Löhnig; FuR 2022, 95 m. Hinw. Soyka) das Beziehungsgeflecht der einzelnen Pflichtigen mit einer ausführlichen Begründung aufbereitet. Verwandte in gerader Linie sind gem. § 1601 BGB verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften dabei die näheren vor den entfernteren (§ 1606 Abs. 2 BGB), sodass die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vorgeht. Unterhaltspflichtig ist jedoch gem. § 1603 Abs. 1 BGB nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Die Höhe des hieraus abgeleiteten angemessenen Selbstbehalts eines Elternteils gegenüber seinem Kind richtet sich nach den mit einhelliger Billigung maßgeblichen Unterhaltsrichtlinien des jeweiligen OLG. Gegenüber minderjährigen Kindern trifft die Eltern im Regelfall gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt zusteht. Diese gesteigerte Verpflichtung tritt nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB wiederum nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Soweit schließlich ein Verwandter nach § 1603 BGB nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende den Unterhalt im Wege der Ersatzhaftung nach § 1607 Abs. 1 BGB zu gewähren.
Der BGH lehnt die teilweise vertretene Auffassung (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2005, 57) ab, dass das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern lediglich dazu führt, dass sich die Leistungsfähigkeit der Eltern allein nach § 1603 Abs. 1 BGB richtet, da sie nicht dem Gesetzeswortlaut und der Systematik der Bestimmungen entspricht. Sind leistungsfähige Großeltern vorhanden, greift die gesteigerte Unterhaltspflicht mit der Reduzierung auf den sog. notwendigen Unterhalt nicht ein. Er betont weiter, dass das Gesetz den Begriff der Verwandtschaft nicht einschränkt. Verwandter kann nicht nur der andere Elternteil, sondern auch ein Großelternteil sein. Es handelt sich zudem um eine originäre Haftung der Großeltern auf Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern.
Hinweis:
Der auf Unterhalt für sein minderjähriges Kind in Anspruch genommene Elternteil trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine eigene Leistungsunfähigkeit und damit sowohl dafür, dass bei der begehrten Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewährt wäre, als auch dafür, dass andere leistungsfähige Verwandte i.S.d. § 1903 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 BGB vorhanden sind.
b) Erhebliche Erschwernis der Rechtsverfolgung gegen den vorrangig Unterhaltspflichtigen
Großeltern haften nachrangig für den Unterhalt minderjähriger Enkelkinder nicht nur bei mangelnder Leistungsfähigkeit der Kindeseltern, sondern gem. § 1607 Abs. 2 BGB auch dann, wenn die Rechtsverfolgung gegen den an sich leistungsfähigen vorrangig verpflichteten Verwandten ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg (FamRZ 2022, 790) liegen die Voraussetzungen einer erheblich erschwerten Rechtsverfolgung auch dann vor, wenn ein titulierter Unterhaltsanspruch auf einem fingierten Einkommen des Unterhaltspflichtigen beruht und deshalb eine Vollstreckung erfolglos ist.
In Übereinstimmung mit der o.a. Entscheidung des BGH folgert das OLG Oldenburg (FamRB 2022, m. Hinw. Schürmann), dass die Großeltern dem Enkelkind gegenüber zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet sind, wenn ihre Ersatzhaftung nicht ausgeschlossen ist.