1. Wechselmodell
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, FamRZ 2014, 917; 2017, 437) besteht ein unterhaltsrechtliches Wechselmodell nur dann, wenn eine genaue paritätische Betreuung vorliegt und kein Schwerpunkt festgestellt werden kann. Entsprechend hat das OLG Dresden (FamRZ 2022, 31 mit Anm. Borth; FuR 2022, 219 m. Hinw. Viefhues) das Vorliegen eines Wechselmodells verneint, wenn das gemeinsam betreute Kind von einem getrennt lebenden Elternteil mit einem zeitlichen Anteil von 45 % betreut wird und keine einzelfallbezogenen Besonderheiten gegeben sind. Der das Kind überwiegend betreuende Elternteil ist somit befugt, im Wege der Verfahrensstandschaft den nach der Düsseldorfer Tabelle zu bemessenden Unterhalt geltend zu machen.
Hinweis:
Der Tabellensatz dürfte herabzusetzen sein, wenn der Kindesbedarf durch ein erheblich erweitertes Umgangsrecht anderweitig gedeckt wird.
2. Ausbildungsunterhalt
Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes auch die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Das OLG Bremen (FamRZ 2022, 526; Fu.E. 2022, 213 m. Hinw. Viefhues; in Übereinstimmung mit BGH, FamRZ 2006, 1100; 2017, 799) hat die Voraussetzungen erläutert und im entschiedenen Fall bejaht (Realschule-Fachoberschule mit Schwerpunkt Architektur und Bau – Abbruch-Lehre als Bauzeichner – Soziales Jahr – Fachoberschule-Fachhochschule mit Architekturstudium-Bachelorabschluss).
Angemessen ist eine Ausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten, nicht nur vorübergehenden Neigungen des Kindes entspricht. Geschuldet wird eine den Eltern wirtschaftlich zumutbare Finanzierung. Kinder haben grds. nur Anspruch auf eine Ausbildung, nicht auf mehrere. Zur angemessenen Ausbildung zählt auch eine Weiterbildung, wenn sie von vornherein angestrebt wird; sie kann mehrere Stufen umfassen. Voraussetzung für einen einheitlichen Ausbildungsgang ist ein enger zeitlicher Zusammenhang, bei der jede Stufe zielstrebig aufgenommen wird. Er kann auch noch gewahrt werden, wenn eine längere zeitliche Unterbrechung auf zwangsläufige, dem Kind nicht anzulastende Umstände zurückzuführen ist, die auf einer durch familiäre Konflikte ausgelösten Entwicklungsstörung oder einem vorübergehenden Versagen des Kindes beruhen.
3. Eigene Ausbildung des Unterhaltspflichtigen
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, FamRZ 1994, 372; 2011, 1041) gehört eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, der auch bei Verpflichtung zum Mindestunterhalt minderjähriger Kinder grds. vorrangig bedient werden darf; insb. wenn aufgrund der Ausbildung in absehbarer Zeit ein Einkommen erzielt werden wird, mit dem der künftige Kindesunterhalt gesichert werden kann. Verfügt der unterhaltspflichtige Elternteil über keine abgeschlossene Berufsausbildung, kann ihm auch dann, wenn die Schulzeit länger zurückliegt, die Aufnahme einer Ausbildung nicht verwehrt werden (OLG Stuttgart, FamRZ 2022, 526).
Das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung tritt aber nach einer Entscheidung des OLG Köln (FamRZ 2022, 525) hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalts zurück, wenn der Unterhaltsschuldner bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen hat und er in der Lage ist, eine ungelernte Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein eigenes angemessenes Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.
4. Tilgungsleistungen für selbstgenutzte Immobilien
Inwieweit Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen i.R.d. Bestimmung seiner Leistungsfähigkeit (§ 1603 BGB) einschränkend zu berücksichtigen sind, kann nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, FamRZ 2019, 1415; 2013, 1558) nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung nach billigem Ermessen entschieden werden. Insoweit sind insb. der Zweck der Verbindlichkeit, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, der Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeit von Bedeutung, die Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der BGH (FamRZ 2022, 781 m. Anm. Norpoth; FamRB 2022, 212 m. Hinw. Liceni-Kierstein; NJW 2022, 1386 m. Anm. Graba; FuR 2022, 319 m. Hinw. Soyka; in Fortführung von BGH, FamRZ 21017, 519; 2022, 434) entschieden, dass auch beim Kindesunterhalt grds. bis zur Höhe des Wohnvorteils neben den Zinszahlungen zusätzlich die Tilgungsleistungen berücksichtigt werden können, die der Unterhaltspflichtige auf ein Darlehen zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie erbringt. Hierbei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass durch die Zins- und Tilgungsleistungen, die der unterhaltspflichtige Selbstnutzer eines Eigenheimes auf einen zu dessen Finanzierung aufgenommene Kredit erbringt, ein einkommenserhöhender Wohnvorteil ermöglicht wird. Bis zur Höhe des Wohnvorteils können die Kreditraten deshalb nicht nur mit dem Zinsanteil, sondern auch mit dem Tilgungsanteil Berücksichtigung finden. Handelt es sich um die gegenüber minderjährigen Kindern ge...