Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zur Verjährungshemmung im selbstständigen Beweisverfahren geändert. Ging er – und ihm folgend auch zahlreiche Oberlandesgerichte – in jahrzehntelanger Rechtsprechung davon aus, dass die Beweissicherung und damit die Unterbrechung der Verjährung bei mehreren, voneinander unabhängigen Mängeln eines Bauvorhabens mit dem Abschluss der Beweissicherung hinsichtlich eines jeden dieser Mängel endet, auch wenn die verschiedenen Mängel und Sachverständigengutachten Gegenstand nur eines, formal zusammengefassten Verfahrens geworden sind, so will er daran jetzt nicht mehr festhalten (BGH, Urt. v. 22.6.2023 – VII ZR 881/21 = ZAP EN-Nr. 485/2023 [Ls], in dieser Ausgabe).
Anlass des Sinneswandels beim sog. Werkvertragssenat war eine Entscheidung des OLG Stuttgart; die dortigen Richter waren zu der Auffassung gelangt, dass es vorzugswürdiger sei, für das Ende der Verjährungshemmung auf die Beendigung des gesamten Beweisverfahrens abzustellen statt auf jede einzelne Beweissicherung. Dieser Auffassung ist der BGH jetzt gefolgt.
Der Werkvertragssenat verweist zunächst auf den Wortlaut des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB. Danach endet die Verjährungshemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder – wie bei einem selbstständigen Beweisverfahren – „anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens”. Danach müsse das Verfahren also insgesamt sachlich erledigt sein, folgern die Karlsruher Richter. Eine teilweise Beendigung des Verfahrens im Hinblick auf einzelne von mehreren Beweisgegenständen, insb. auf die konkret zu begutachtenden Mängel, reiche demnach nicht aus.
Auch prozessökonomische Erwägungen sprächen für dieses Ergebnis, so der Senat. Es wäre für die Parteien unnötig umständlich und zeitaufwändig, wenn der Besteller gezwungen wäre, Ansprüche aus einzelnen im selbstständigen Beweisverfahren abschließend begutachteten Mängeln klageweise geltend zu machen, nur um ein Ende der Verjährungshemmung zu verhindern, während sich andere Mängel noch in der Begutachtungsphase befänden. Für ihn käme dann außerdem die Notwendigkeit hinzu, sukzessive weitere Mängelansprüche nach Abschluss der Begutachtung durch Klageerweiterung in den Rechtsstreit einzuführen.
Das widerspräche dem den Zivilprozess prägenden gesetzgeberischen Ziel, einen Rechtsstreit möglichst kompakt und zügig zu entscheiden. Es liefe auch dem mit dem selbstständigen Beweisverfahren verfolgten Zweck der Eindämmung des Rechtsstreits zuwider: Eine gütliche Einigung zwischen den Parteien sei eher zu erwarten, wenn über alle vom Besteller behaupteten Mängel Klarheit bestehe, da erst dann ein umfassender, den gesamten Streit beendender Vergleich möglich werde.
[Quelle: BGH]