Die Klagearten des SGG entsprechen grds. denen der ZPO und der VwGO, allerdings mit den nachfolgend angeführten Besonderheiten. Der Unterteilung kommt vorrangig eine Ordnungsfunktion zu. Aus dem Anspruch auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) folgt, dass die Rechtsverfolgung nicht an verfahrensrechtlichen Hürden im Zusammenhang mit der Wahl der Klageart scheitern darf (M-L/K/L/S/Keller, SGG, § 54 Rn 1a).
Hinweis:
Im Vorgriff auf die wesentlichen Grundsätze des SGG-Verfahrens (s. VI.) sei bereits hier darauf hingewiesen, dass die Gerichte nicht an die Fassung der Anträge gebunden sind (§ 123). Im Rahmen seiner Aufklärungspflicht hat zudem der Kammervorsitzende darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert, sowie angemessene und sachdienliche Anträge gestellt werden gem. § 106 Abs. 1 (s. hierzu HdB SGG, Kap. VII, Rn 112 ff.) und gem. § 112 Abs. 2 S. 2. Im Übrigen gilt (s. etwa M-L/K/L/S/Keller, SGG, § 54 Rn 1b m.w.N.): Das Klageziel ist durch Auslegung zu ermitteln; im Zweifel ist anzunehmen, dass Kläger die Klageart wählen, die ihr Leistungsbegehren am besten realisieren kann („Meistbegünstigungsgrundsatz”; s. hierzu bereits Sartorius, ZAP F. 18, 1883, 1887). Ferner ist auch eine Umdeutung von Klageanträgen möglich.
1. Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1)
Mit der isolierten Anfechtungsklage wird die Aufhebung eines VA – der eine Rechtsposition einräumt – oder seine Abänderung angegriffen. Beispiele für die isolierte Anfechtungsklage sind etwa die Aufhebung eines VA mit Dauerwirkung wegen Veränderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X), oder die Rückforderung einer zu Unrecht erbrachten Leistung (weitere Anwendungsfälle und Schriftsatzmuster mit Hinweisen finden sich im Prozessformularbuch, Kap. VIII 2 und im Hdb SGG, Kap. IV, Rn 6 bzw. 14 ff.).
2. Verpflichtungsklage mit Anfechtungsantrag (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2)
Mit dieser Klage erstreben Kläger den Erlass eines zuvor begehrten und abgelehnten Verwaltungsakts (VA). Mit der begehrten Entscheidung ist zwangsläufig im Hinblick auf den bereits erteilten VA ein Anfechtungsantrag verbunden. Die Verpflichtungsklage ist nur dann zulässig, wenn Kläger nicht unmittelbar auf Leistung klagen können (ist dies der Fall, ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage anzuwenden, s.u. XI.). Eine zulässige Verpflichtungsklage kommt dann etwa in Betracht, wenn gerade der Erlass eines VA beantragt wird, etwa in Form eines feststellenden bzw. Status begründenden VA (Beispiele: HdB SGG/Verf., Kap. IV, Rn 15).
Die Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage kommt in Betracht, wenn Kläger Leistungen begehren, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sondern die Leistungsgewährung im Ermessen des Leistungsträgers steht und im konkreten Fall das Ermessen nicht „auf null” reduziert ist (zu Schriftsatzmustern s. Prozessformularbuch, Kap. VIII 4 und Hdb SGG/Verf., Kap. IV, Rn 19 ff.).
Auch die Untätigkeitsklage nach § 88 ist eine Verpflichtungsklage (s. o. II. und Prozesshandbuch Kap. VIII 5).
3. Isolierte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5)
Begehren Kläger die Verurteilung zu einer bestimmten Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht und die nicht vom vorhergehenden Erlass eines VA abhängt, so steht hierfür die Leistungsklage zur Verfügung. Unzulässig ist diese Klageart, soweit Leistungsträger durch VA handeln können, was im Sozialrecht regelmäßig der Fall ist. Anwendbar ist die Leistungsklage etwa bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen mehreren öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern oder solchen zwischen Sozialversicherungsträgern und Leistungserbringern (zu Beispielen s. HdB SGG/Verf., Kap. IV, Rn 63 ff., zu Schriftsatzmustern s. dort Rn 69 ff. und Prozesshandbuch Kap. VIII 3).
Hinweis:
Ein weiteres Beispiel für die reine Leistungsklage ist ferner die Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 1 GVG – anwendbar im SGG-Verfahren gem. § 202 S. 2 –, wenn zuvor Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 GVG) erhoben wurde (s. näher HdB SGG, Kap. X, Rn 82 ff. mit zahlreichen Einzelheiten).
4. Kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4)
Bei dieser handelt es sich um die häufigste Klageart in der Sozialgerichtsbarkeit, die zulässig ist, wenn Verwaltungsträger durch VA den Antrag auf Gewährung von Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, ganz oder teilweise ablehnen.
Beispiele sind etwa Klagen auf Krankengeld, Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall, Arbeitslosengeld, Bürgergeld, Erwerbsminderungsrente (zu Schriftsatzmustern und Hinweisen s. Prozessformularbuch, Kap. VIII 7 und Hdb SGG, Kap. IV, Rn 78 ff.).
5. Feststellungsklage (§ 55)
Mit der Feststellungsklage kann auch im sozialgerichtlichen Verfahren – wie im zivil- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 256 ZPO, § 243 VwGO) – die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1). Ausreichend ist hierbei, dass die Feststellung einzelner Rechte und Pflichten, die auf dem Rechtsverhältnis beruhen, beansprucht wird; eine Feststellungsklage ist nicht möglich wegen einzelner Elemente (s. M-L/K/L/S/Keller, SGG, § 55 Rn 9 f. m.w.N.). Nicht erforderlich ist demnach die Streitbefangenheit des gesamten Rechtsverhältnisses. § 55 Abs. 1 Nr. 2–4 regelt spezielle Fälle der...