1. Klagefrist
Nach § 87 Abs. 1 S. 1 und 2 ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des VA zu erheben, wobei bei Bekanntgabe im Ausland die Frist drei Monate beträgt. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2). Diese Fristen knüpfen daran an, dass der Erlass eines VA vorausgegangen ist, sie gelten für Anfechtungsklagen und mit solchen Klagen kombinierte Verpflichtungs-, Leistungs- sowie Feststellungsklagen.
Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig (§ 94 S. 1); zu den materiellen und prozessualen Wirkungen der Rechtshängigkeit s. M-L/K/L/S/Schmidt, SGG, § 94 Rn 4 und 5. Grundsätzlich ist die Klage beim zuständigen Gericht zu erheben (zur Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit s.o. II. 1). Die Klagefrist wird hingegen auch durch die Klage beim sachlich oder örtlich unzuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit gewahrt. Aufgrund der Verweisung in § 98 ist nach § 17a Abs. 2 S. 1 GVG der Rechtsstreit an das sachlich und örtlich zuständige Gericht zu verweisen, wobei nach § 17b Abs. 1 S. 2 GVG die Wirkungen der Rechtshängigkeit bei der Verweisung bestehen bleiben. Auch der Eingang der Klageschrift innerhalb der Fristen des § 87 bei einer anderen inländischen Behörde oder einem Versicherungsträger und den weiteren in § 91 Abs. 1 genannten Stellen ist fristwahrend. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist die Klageschrift unverzüglich an das zuständige Gericht abzugeben.
Selbst die Klage des unzuständigen Rechtswegs wahrt die Klagefrist gem. § 202 S. 1 i.V.m. §§ 17a Abs. 2 S. 1, 17 b Abs. 1 S. 2 GVG (s. SHR/Flint, § 13 Rn 545 m.w.N.).
2. Form und Inhalt der Klage
Die sozialgerichtlichen Verfahrensvorschriften minimieren die an die Klageerhebung zu stellenden Anforderungen, insb. im Vergleich zu anderen gerichtlichen Verfahrensordnungen. Angaben zum Inhalt der Klage ergeben sich aus § 92. Diese Bestimmung enthielt in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung ausschließlich Sollvorschriften. Nunmehr schreibt Abs. 1 in S. 1 zwingend Angaben zu den Beteiligten und des Klagegegenstands vor, die S. 2–4 umfassen weiterhin bloße Sollbestimmungen. Werden die in Abs. 1 geforderten Angaben nicht gemacht, berührt dies nicht die Zulässigkeit der Klage. Vielmehr hat in diesem Fall gem. Abs. 2 der Norm der Vorsitzende die Klägerseite zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist, deren Verlängerung ggf. beantragt werden kann (§ 65), aufzufordern. Dies kann nach S. 2 mit einer Ausschlussfrist geschehen, aber nur, wenn es an einem der in Abs. 1 S. 1 genannten Erfordernisse fehlt. Wird innerhalb der Ausschlussfrist keine Ergänzung dieser Angaben vorgenommen, ist nach überwiegender Auffassung die Klage als unzulässig abzuweisen (s. M-L/K/L/S/Schmidt, SGG, § 92 Rn 17). Bei unverschuldeter Fristversäumnis kann Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden (§ 90 Abs. 2 S. 3).
Hinweise:
- Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz ordnungsgemäßer Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt (§ 102 Abs. 2 S. 1). Diese Rücknahmefiktion kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestehen (s. näher M-L/K/L/S/Schmidt, SGG, § 102 Rn 8a-8c).
- Verspätetes Vorbringen des Klägers kann nach näherer Maßgabe der Präklusionsregelung in § 106a nach entsprechender, erfolgloser Aufforderung, Fristsetzung und Belehrung durch das Gericht zurückgewiesen werden. Es handelt sich um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter, die mit dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103) nur schwer vereinbar ist; von ihr sollte in der gerichtlichen Praxis nur in zurückhaltender Weise Gebrauch gemacht werden (M-L/K/L/S/Schmidt, SGG, § 106a Rn 2). Eine Präklusion im erstinstanzlichen Verfahren setzt sich im Berufungsverfahren fort (§ 157a).
Nach § 90 ist die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Zur Schriftform gehört grds. die eigenhändige Unterschrift (§ 126 Abs. 1 BGB), aus § 92 Abs. 1 S. 3 ergibt sich jedoch, dass im Sozialgerichtsverfahren die Unterschrift für eine wirksame Klageerhebung nicht zwingend ist. Die Klageerhebung kann etwa auch durch Telefax erfolgen, nicht aber durch E-Mail. Für die elektronische Form der Klageerhebung, die ebenfalls als eine gegenüber der Schriftform eigenständige Form möglich ist, gilt die besondere Vorschrift in § 65 a. Zu beachten ist, dass seit dem 1.1.2022 gem. § 65d S. 1 und 2 Rechtsanwälte, Behörden und nach dem SGG vertretungsberechtigte Personen – letztere, soweit ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 zur Verfügung steht – verpflichtet sind, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronische Dokumente zu übermitteln. Ausnahmen von dieser Verpflichtung bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit, die unverzüglich glaubhaft zu machen ist, reg...