1. Krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit
a) Erwerbsunfähigkeitsrente und Wiederherstellungsobliegenheit
Wie der BGH (FamRZ 2017, 109) entschieden hat, genügt der Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente nicht, um die völlige Unmöglichkeit einer unterhaltsrechtlichen Erwerbsmöglichkeit darzulegen. Entsprechend führt das OLG Brandenburg (FuR 2023, 331 m. Hinw. Viefhues) aus, dass der Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente nur voraussetzt, dass der Rentenbezieher wegen Krankheit auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mind. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die sich auf krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit berufende Unterhaltspartei trägt nicht nur die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie keine Vollzeitstelle zu erlangen vermag, sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung im Minijob-Bereich gilt. Das OLG weist weiter darauf hin, dass den Unterhaltsbedürftigen die Obliegenheit trifft, alles zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft Erforderliche zu tun, um seine Unterhaltsbedürftigkeit zu mindern. Wer leichtfertig oder fahrlässig die Möglichkeiten einer ärztlichen Behandlung der einer Aufnahme der Erwerbstätigkeit entgegenstehenden Umstände nicht nutzt, muss sich unterhaltsrechtlich so behandeln lassen, als hätte die Behandlung Erfolg gehabt. In diesem Fall kann dem Unterhaltsberechtigten fiktiv ein Erwerbseinkommen in der von ihm erzielbaren Höhe zugerechnet werden. Er könnte in täglich drei Stunden wenigstens monatlich 450 EUR hinzuverdienen.
b) Darlegungserfordernisse
Das OLG Düsseldorf (FamRZ 2023, 940) hat die Darlegungslast eines Unterhaltsbedürftigen, der sich auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit beruft, erläutert.
Der Bedürftige muss Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben und hat ferner darzulegen, inwieweit die behauptete gesundheitliche Störung sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirkt. Eine Beweiserhebung über die Erwerbsfähigkeit ist nur mit entsprechend substanziierten, auf ärztliche Atteste, Arztberichte oder Privatgutachten gestützten Vortrag geboten. Aus vorgelegten Attesten muss sich schlüssig ergeben, dass wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen keine unbeschränkte Erwerbsfähigkeit erwartet werden kann.
2. Kündigung des Arbeitsverhältnisses und Abfindung
Hat der unterhaltspflichtige Arbeitnehmer durch eine schuldhafte Handlung Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegeben und kommt es hierdurch zu einer Minderung seines Einkommens, kommt nach allgemeiner Auffassung eine fiktive Fortsetzung seines bisherigen Einkommens in Betracht. Das OLG Hamm (FamRZ 2023, 195) betont, dass am bisherigen Einkommen nur festzuhalten ist, wenn ein schwerwiegendes und nicht nur leichtes Verschulden des Unterhaltspflichtigen an der Kündigung vorliegt.
Abfindungen aus Arbeitsverhältnissen haben regelmäßig Unterhaltsersatzfunktion und sind als Einkommen zu bewerten. Das OLG Hamm (FamRZ 2023, 195) folgt der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 1987, 159; BGH FamRZ 2012, 1048; ebenso OLG Saarbrücken FamRZ 2022, 860), dass die Abfindung auf einen längeren Zeitraum zu verteilen und zur Aufstockung des geminderten Einkommens heranzuziehen ist. Hierbei ist eine Aufstockung vorzunehmen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der jeweiligen beiderseitigen Interessen.
Soweit aus der Abfindungsleistung auch der Unterhalt eines minderjährigen Kindes aufzustocken ist, muss die Abfindung nach Auffassung des OLG bis zum Erreichen der Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes in monatlichen Raten aufgeteilt werden.
Ist die Abfindung nicht mehr vorhanden, kann sich der Unterhaltsschuldner auf seine Leistungsunfähigkeit nur dann berufen, wenn er nicht unterhaltsbezogen leichtfertig oder verantwortungslos gehandelt hat (OLG Hamm, FamRZ 2023, 586 im Anschluss an BGH FamRZ 2008, 1163).
3. Änderung einer Unterhaltsvereinbarung
Einer Entscheidung des OLG Brandenburg (FamRZ 2023, 519) über die Abänderung einer Unterhaltsvereinbarung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Jahr vor Zustellung des Antrags auf Scheidung einer nur wenige Jahre bestehenden Ehe hatten die Ehegatten einen gerichtlichen Vergleich über den Trennungsunterhalt geschlossen. Das Scheidungsverfahren verzögerte sich erheblich, weil der Unterhaltspflichtige seiner Auskunftspflicht zur güterrechtlichen Auseinandersetzung nur schleppend nachgekommen war. Der Unterhaltspflichtige stützte sein Begehren darauf, dass von einem zügig durchzuführendem Scheidungsverfahren ausgegangen worden sei.
Das OLG betont in seiner ablehnenden Entscheidung, dass eine Abänderung nur nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu beurteilen ist. Sind die Grundlagen der Vereinbarung nicht festgestellt und auch durch Auslegung oder auf sonstige Weise nicht feststellbar, besteht kein hinreichender Ansatz für eine Anpassung an die veränderten Umstände.
Dabei trägt derjenige, der Rechte aus § 313 BGB geltend macht, die objektive Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind; dass also bestimmte Umstände zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage geworden ...