Das Bundesjustizministerium hat kürzlich seine Pläne vorgestellt, im Zuge der weiteren Digitalisierung des Justizwesens einfache Zahlungsklagen vor den Amtsgerichten im Rahmen von online geführten Verfahren zu erproben (vgl. dazu ZAP 2024, 661). Im Rahmen ihrer offiziellen Stellungnahme zu dem Vorhaben hat die Bundesrechtsanwaltskammer den Entwurf im Großen und Ganzen befürwortet, jedoch Änderungen zu einzelnen Punkten angeregt.
Vor dem Hintergrund des in Deutschland nach wie vor bestehenden Digitalisierungsdefizits und der dringenden Notwendigkeit, u.a. Korrespondenzen von Bürgern mit der Justiz zukunftssicher zu gestalten, sei die vorgesehene Erprobung des zivilgerichtlichen Online-Verfahrens zu begrüßen, führt die BRAK aus. Die gezielte Nutzung von digitalen Möglichkeiten lasse auf eine deutliche Beschleunigung der Verfahren und eine Erleichterung des Zugangs zum Recht hoffen. Inhaltlich dürfte es sich bei dem geplanten Online-Verfahren um ein Erkenntnisverfahren und ein Verfahren im ersten Rechtszug i.S.d. Zweiten Buches der ZPO handeln, wertet die Kammer. Besondere Vorschriften für Rechtsmittel i.S.d. Dritten Buches der ZPO oder Wiederaufnahmen i.S.d. Vierten Buches seien nicht ersichtlich. Insoweit dürften die allgemeinen Vorschriften anwendbar bleiben, d.h. die Berufung gegen ein im Online-Verfahren ergangenes Endurteil wäre nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften durchzuführen, folgert die BRAK.
Dass die Anwaltschaft bei der vorgesehenen digitalen Klageeinreichung einbezogen werden soll, ist aus Sicht der Kammer ebenfalls positiv, ebenso wie die Berücksichtigung des sog. sicheren Übermittlungsweges über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) und die Bereitstellung der Kommunikationsplattform. Bedenken äußert die BRAK allerdings gegenüber dem vorgesehenen Verzicht auf die mündliche Verhandlung auch gegen den Willen mindestens einer Partei oder gar beider Parteien (§ 1226 ZPO-E). Hier schlägt sie Änderungen vor und fordert, dass es nicht nur einen auf Freiwilligkeit beruhenden Weg in das Online-Verfahren geben soll, sondern auch aus dem Online-Verfahren wieder hinaus. Kritisch sieht die Kammer auch die Regelungen zur Beweisaufnahme im Online-Verfahren: So soll das Gericht u.a. Auskünfte aus allgemein zugänglichen Quellen abrufen können und offenkundige Tatsachen, die nicht von den Parteien vorgebracht wurden, in den Prozess einbringen können. Dies stellt nach Auffassung der BRAK ein Einfallstor für eine Abkehr vom Beibringungsgrundsatz und vom Prinzip der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme im Zivilprozess dar.
Bedenken äußert die BRAK auch bei weiteren Punkten, etwa hinsichtlich der Kommunikationsplattform und der sicheren Identifikation der Beteiligten, insb. wenn Rechtsanwälte am Verfahren beteiligt sind. Wie genau die Authentisierung erfolgen soll, sei im Entwurf nicht geregelt. Da es sich bei den auszutauschenden Dokumenten aber i.d.R. um der Verschwiegenheitsverpflichtung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unterliegende Dokumente handele und deren Entgegennahme bestimmte Rechtsfolgen auslöse oder zumindest auslösen könne, sei hier ein hohes Authentisierungsniveau erforderlich.
Nicht zuletzt befürchtet die BRAK künftig unerwünschte Medienbrüche: Der Austausch elektronischer Dokumente über die Kommunikationsplattform werde zu Schwierigkeiten im Austausch mit den Mandaten führen, da Schriftsätze, Fristverlängerungen o.ä. den Mandanten nicht mehr einfach als Schriftsatz übermittelt werden könnten. Da aber nicht alle Mandanten Zugang zu einem elektronischen Bürgerpostfach oder Kommunikationsportal hätten, müsse zur Abwendung von Medienbrüchen eine Lösung geschaffen werden, die eine einfache Übermittlung an Mandanten vorsehe.
[Quelle: BRAK]