1. Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 32d S. 2 StPO
§ 32d S. 1 StPO bestimmt, dass Verteidiger und Rechtsanwälte den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln sollen. Nach § 32d S. 2 StPO „mussten” bislang nur die Berufung (§ 314 StPO) und ihre Begründung (§ 317 StPO), die Revision (§ 341 StPO), ihre Begründung (§ 344 StPO) und die Gegenerklärung (§ 347 StPO) sowie die Privatklage (§§ 374 ff. StPO) und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage (§ 396 StPO) als elektronisches Dokument übermittelt werden. Dabei handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, deren Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der Erklärung zur Folge hat (zur formwirksamen Einlegung von Rechtsmitteln Burhoff, StRR 7/2024, 5 = VRR 4/2024, 4).
Die Frage, ob auch die in § 32d S. 2 StPO a.F. nicht genannten Rechtsmittel/Rechtsbehelfe (etwa Beschwerde, Einspruch gegen den Strafbefehl) nur noch in elektronischer Form erklärt werden können, war noch nicht geklärt. Zwar ist die Gesetzesbegründung von einer grundsätzlichen Pflicht zur elektronischen Kommunikation ausgegangen, Beschwerden hat sie aber ausdrücklich ausgenommen (BT-Drucks 18/9416, S. 51). Die bisherige – teilweise zu Ordnungswidrigkeitenverfahren ergangene – Rechtsprechung hat auch keine Folgen an eine „nichtelektronische” Einlegung bzw. Rücknahme von Rechtsmitteln geknüpft (BGH, Beschl. v. 4.7.2023 – 4 StR 171/23 zur Revisionsrücknahme; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.11.2022 – 1 Ws 312/22, NStZ-RR 2023, 81 zur Berufungsrücknahme; jeweils zum Einspruch gegen den Bußgeldbescheid OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 28.2.2023 – 1 Ss-OWi 1460/22, NJW 2023, 1528; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.3.2023 – 2 ORbs 35 Ss 125/23, NStZ 2023, 622; AG Hameln, Beschl. v. 14.2.2022 – 49 OWi 23/22, NZV 2022, 333). Dem ist das Schrifttum gefolgt (KK/Graf, StPO, 9. Aufl. 2023, § 32d Rn 8).
Der Gesetzgeber hat sich dann aber entschlossen, den „ansonsten bestehenden Gleichlauf von Einlegung und Rücknahme” von Rechtsmitteln, der durch die bisherige Regelung unterbrochen wurde, wiederherzustellen bzw. beim Strafbefehl der Situation bei der Rechtsmitteleinlegung anzupassen (BT-Drucks 20/10493, S. 47 f.). Deshalb ist die Nutzungspflicht des § 32d S. 2 StPO nun auch erstreckt worden auf:
Die Nutzungspflicht dürfte m.E. auch für die Teilrücknahme in der Form der (nachträglichen) Rechtsmittelrücknahme gelten. Jedenfalls sollte der Verteidiger den „sichersten Weg” wählen und auch die Teilrücknahme elektronisch übermitteln.
Die Möglichkeit, ein Rechtsmittel in der Hauptverhandlung mündlich zurückzunehmen, wird aber durch die Erweiterung ebenso wenig berührt wie die Möglichkeit, die Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle zu geben. Die Nutzungspflicht ist auch nicht auf den Verzicht auf Berufung oder Revision erstreckt worden (vgl. BT-Drucks 20/10493, S. 48).
Hinweis:
Die Änderung/Erweiterung des § 32d S. 2 StPO tritt nach Art. 50 Abs. 3 des Gesetzes erst am 1.1.2026 in Kraft. Verteidiger sollten aber dennoch nach Möglichkeit jetzt schon diesen Weg gehen. Dann kann das auf Übergangsregelungen beruhende (späte) Datum des Inkrafttretens nicht übersehen werden.
2. Ersetzung von Schriftformerfordernissen
a) Strafantrag/Strafanzeige
Für die Stellung eines Strafantrages/einer Strafanzeige gilt (im Einzelnen BT-Drucks 20/10493, S. 49 f.):
- Entsprechend der früheren Praxis kann die einfache Strafanzeige i.S.d. § 158 Abs. 1 StPO auch elektronisch formlos gestellt werden. Die Vorgabe „mündlich oder schriftlich” in § 158 Abs. 1 S. 1 StPO ist gestrichen worden. Die Strafanzeige muss nach § 158 Abs. 1 S. 2 StPO lediglich durch die die Anzeige aufnehmende Person entsprechend protokolliert oder in sonstiger Weise dokumentiert werden. Bei schriftlich oder elektronisch eingereichten Strafanzeigen oder -anträgen erfolgt dies dadurch, dass die Anzeigen zum Ermittlungsvorgang oder zur Akte genommen werden.
- Ist ein förmlicher Strafantrag für die Strafverfolgung erforderlich, ist nach § 158 Abs. 2 StPO entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zum nicht digitalen Strafantrag die Schriftform und ihr elektronisches Äquivalent nach § 32a StPO nicht mehr erforderlich, sofern die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person aus der Erklärung und den Umständen ihrer Abgabe eindeutig ersichtlich sind (vgl. zum Strafantrag Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl., 2025, Rn 2295 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]; vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.5.2022 – 5 StR 398/21, BGHSt 67, 69; Beschl. v. 23.11.2023 – 4 StR 72/23, NStZ-RR 2024, 123).
b) Wegfall weiterer Schriftformerfordernisse
Die nach alter Rechtslage für